Gruppenponys - Geschichte

[SIZE=20]Gruppenponys ...[/SIZE]

[SIZE=12]Mein letzter Traum führte mich in die schöne Essener Umgebung. In der Borbecker Mark ist es ein Genuss, dem Gesang der Nachtigallen zu lauschen. Überall sang und klang es in den Büschen, und fast jeder Strauch barg ein Vogelnest, welches durch die Strenge unserer alten Lehrer und Naturschützer den besten Schutz genoss. Es waren allerdings doch einige Mädchen und Jungen, die das Gebot, keine Nester auszunehmen, nicht achteten. Diese wurden aber, wenn es den Lehrern bekannt wurde, streng bestraft. Zwischen kleiner und großer Emscher lag am Waldesrand der alte Sturmshof, dessen Weiden sich bis zur so genannten kleinen Emscher hinzogen. Auf eine dieser großen Weiden wurden jeden Sommer eine Anzahl Grubenponys der benachbarten Zechen zur Erholung gebracht. Es war herzbewegend anzusehen, wie sich die jahrelang des Tageslichtes beraubten Tiere der goldenen Freiheit erfreuten. Wenn die Pferde an den Bach kamen, um zu trinken, dann reichten wir ihnen ein Stück Brot, das sie uns aus der Hand fraßen. Gelegentlich übten wir uns auch in der edlen Reitkunst, allerdings ohne Steigbügel und ohne Zügel. Die meisten Ponys gingen ruhig mit ihrer Last eine zeitlang Schritt, machten nur dann und wann einen tollen Sprung und setzten uns aufs Trockene. Nur eines der Ponys, ein schönes Tier, kastanienbraune Mähne, mit strammen Fesseln (ich träume heute noch davon) wurde nur selten zum Reiten benutzt. Es sollte dressiert sein, wie ältere Jungen fest behaupteten, denn es lief mit seiner Last sofort im vollen Galopp zu einem am Rande der Weide stehenden Wärterhäuschen. Was uns dort bei dem alten Wärter erwartete, wusste jeder von uns und keiner hatte Lust, dessen nähere Bekanntschaft zu machen. Wagte trotzdem einer von uns den Ritt nach dem Wärterhäuschen, dann schrieen alle wie toll: „Pass auf, der ist dressiert“, und das Pony warf den waghalsigen Reiter kopfüber aus dem Sattel. Nach diesen Reitübungen, vor Dreck und Schlamm kaum noch erkennbar, verzogen wir uns zur nahen Emscher, um zu baden. Die Emscher war damals noch rein und klar, sie führte aber viel Treibsand mit sich, was für manch einen verhängnisvoll war, der die Gefahr unterschätzte. Einige dieser armen Geschöpfe kann man heute noch in Essen antreffen. Allerdings längst wiedergeboren als schöne Elfenwesen. Aber schuften müssen sie immer noch. Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt Meinen Reitlehrer namens Manfred Fricker konnte ich anfangs auf den Tod nicht ausstehen. Als ich damals meine erste Reitstunde an der Longe hatte und er da einem Erwachsenen Einzelunterricht gab ... Richtig eingebildet kam er mir vor. Ich fand ihn unsagbar arrogant und empfand kein weiteres Gefühl als Abneigung. Er sprach aber auch so ungeheuer gescheit, und ich verstand kein Wort davon und war nur darauf bedacht, endlich richtig zu sitzen, endlich die Hacken unten zu halten und den Kopf hoch. Dann kam die zweite Stunde. Er betrat die Halle und sah sekundenlang zu, wie ich mich unter Steiners Aufsicht an der Longe abmühte. „Wievielte Stunde hat sie denn?“, fragte er kurz. „Zweite“, sagte Steiner unbeteiligt. Und darauf er: „Ach ja? Geht doch schon prima.“ Ich dachte, er mache sich über mich lustig, ärgerte mich schwarz und warf ihm einen wütenden Blick zu. Erst viel später wurde mir klar, dass er es gar nicht ironisch gemeint haben konnte. Er lobt niemanden, wenn er das Gegenteil meint. Etwas später machte er dann aber doch noch eine wirklich spöttische Bemerkung: „Pass auf, dass die Lippe nicht gleich ab ist!“ Und ich nagte noch wütender extra weiter an meiner Unterlippe herum. Mein Gefühl der Abneigung nahm um weitere Grade zu. Der Wendepunkt kam zwei Wochen später. Steiner musste während des Unterrichts kurz fort und bat Fricker, mich zu übernehmen. Er tat es. Ich hatte in dem Moment – das weiß ich noch deutlich – Angst. Angst, er könnte wieder etwas Spöttisches von sich geben. Ich krampfte mich in Erwartung irgendeines Angriffes zusammen. Verbissen. Er sagte: „Lass die Zügel ruhig länger. Ich habe die ‚Flocke’ ja hier noch an der Longe. So nennt man nämlich diese lange Leine. Und bleib ganz locker, es passiert ja nichts ... Ja, so ist es schon besser.“ Ich fand das ganz vernünftig, was er sagte. Darum sah ich ihn zum ersten Mal richtig an und stellte mit Erstaunen fest, dass sein Gesicht jung aussah, obwohl er bestimmt schon an die vierzig war, und gar nicht so unsympathisch. Dann fragte er später noch einiges übers Reiten und ich freute mich, dass ich die Antworten wusste. Das war der Anfang. Wie ich das jetzt so schreibe, klingt es beinahe wie eine Liebesgeschichte, ist aber weit davon entfernt, eine zu sein! Später, in der ersten Abteilungsstunde kam die Fortsetzung. Ich mochte gleich die Art, wie er den Unterricht abhielt. Das war etwas anderes als das langweilige Altgewohnte bei Steiner! Die sechzig Minuten in der Abteilung waren schön, obwohl doch ziemlich anstrengend. Wie alle Anfänger hatte ich Angst, und trotzdem überhörte ich seine Anweisungen, seine Witzeleien und das Wissenswerte, was er über die Pferde erzählte, nicht. Der ersten Abteilungsstunde folgten weitere – nicht sehr schöne. Ich hatte das Gefühl, nichts, aber auch gar nichts, richtig zu machen. Ich saß falsch: zu weit vorgebeugt, den Bauch eingezogen. Ich hatte die Arme zu weit ausgestreckt. Ich hatte den Absatz hoch und den Blick meist nach unten auf die Mähne des schrecklich hart auftretenden Tieres gerichtet. Bei jedem Schritt im Trab wurde mein armer Körper emporgestoßen und sofort, der eigenen Schwerkraft folgend, landete er wieder unsanft im Sattel. Es tat weh – war schrecklich! Nicht nur, weil es weh tat, sondern weil man im Spiegelbild diese traurige Jammerfigur von Mensch, die man selbst darstellte, genau sehen konnte, und auch weil man wusste: Fricker sieht’s noch besser, mit den Augen des Reitlehrers. Ihm müsste eigentlich schlecht werden bei dem Anblick. Zu allem Übel waren auch andere, die reiten konnten, in der Abteilung. Richtig reiten! Sie wurden gelobt – zuweilen, versteht sich. Ich aber wurde korrigiert, belehrt, auf Fehler aufmerksam gemacht. Ich schien nur aus Fehlern zu bestehen. Es tat weh, war richtig schmerzlich. Es kam die Zeit, da ich „Derby“ zugeteilt bekam. „Endlich ein vernünftiges Pferd, nicht nur so’n Halbpony wie die Susi!“, dachte ich. Nach zehn Minuten hätte ich liebend gern gegen dieses Pony getauscht. Derby schien mir wie ein Holzbrett. Ein sehr dickes, das nicht nachgibt, auf das ich unermüdlich in Halbsekunden-Abständen niedergeworfen wurde. Ich stützte mich mit den Beinen ab, machte mich leicht und zog den Bauch ein. Derbys Reaktion blieb nicht aus. Er legte die Ohren an, nahm das Trensengebiss zwischen die Zähne und raste wild mit mir durch die Halle. Grausames Spiel! Das ging so Woche für Woche. Derby! Derby wurde zum Alptraum, obwohl ich ihn mochte, wenn er brav in seiner Box stand und sich mit geschlossenen Augen voller Wohlbehagen die Kehle kraulen ließ. Aber wenn ich auf seinem Rücken saß ... ... Erlösung, wenn die Stunde zu Ende ging, ohne dass ich herunter gefallen war. Die Stunde, in der es besonders schlimm war, werde ich nie vergessen. Ich saß da auf diesem schrecklichen Untier von Pferd, ein Häufchen Elend, angstvoll zusammengekauert, ich hatte längst jeglichen Widerstand aufgegeben, und Derby jagte im Trab durch das Sägemehl, nahm Kurs auf andere Pferde, biss um sich. Und Schuld hatte ich. Ich allein! Es ist schwer, das zuzugeben. Später fällt es einem leicht, wenn alles weit zurückliegt. Aber in diesem Moment, der zählt, denkt man nicht daran, dass es ja nur an einem selbst liegt. Dass man es abändern könnte, ganz schnell, wenn man nur den Mut aufbrächte, sich aufzurichten, einmal energisch die Zügel anzunehmen, die Schenkel ranzulegen. Ich hatte keinen Mut. In der Stunde nicht. Nach drei endlos langen Extraeinlagen blieb Derby stehen, und ich war unfähig, irgendetwas zu unternehmen. Ein einziges großes Gefühl von Versagen beherrschte mich. Nichts anderes war da, nur das eine: Ich schaffe es nie. Nie! So stand Derby da – ganz zufrieden mit seiner Vorstellung – und ich auf ihm hockend gänzlich zerschlagen. Dann kam Fricker. Er sah erst ganz nüchtern nach, ob am Sattelgurt und Zaumzeug alles in Ordnung war, und dann schaute er mich an und fragte leise – d ie anderen brauchten es ja nicht zu hören: „Was ist denn los, Elke? Ist denn was? Tut dir was weh?“ Ich schüttelte stumm den Kopf. Zu Worten war ich nicht fähig. Der Hals war ja so irrsinnig zugeschnürt. „Was ist denn bloß mit dir?“, fragte er wieder, ebenso leise. Ich merkte in dem Moment, dass ich ihm bestimmt leid tat, dass er mir helfen wollte, wenn er gekonnt hätte. Aber er konnte ja nicht. Ich hatte ja Schuld! „Mh?“, machte er nochmals fragend. „Nichts“, sagte ich mit ganz zittriger Stimme und zuckte hilflos mit den Schultern. Hätte ich im vollständigen Satz antworten müssen, wäre ich in Tränen ausgebrochen. Ich glaube, er merkte das und ließ mich in Ruhe. Gebrochen brachte ich Derby hinaus. Sollte ich aufhören? Ich hörte nicht auf. Am nächsten Donnerstag fiel ich drei Mal herunter – natürlich von Derby. Immerhin war Herunterfallen noch besser als wie wahnsinnig durch die Bahn zu jagen. Man gewann Zeit dabei, wurde ein bisschen mehr geachtet, wenn man nicht zu heulen anfing und nach jedem Sturz den Mut aufbrachte, wieder aufzusitzen. Aber war es wirklich Mut? War es nicht nur Resignation? Zu wissen, nützt doch alles nichts, also noch mal rauf, kommt ja nicht auf einmal mehr an? Und dann kam endlich der Tag, der Donnerstag. An der Tafel stand es wie ein Verhängnis. Mein Name und daneben: Derby! Also, auf in den Kampf! An diesem Tage hatte ich einen Entschluss gefasst, schon Stunden vorher. Heute wollte – musste ich gewinnen! Ich wollte alles einsetzen, alles hergeben, wollte einfach einmal siegen. Denn das wusste ich genau: Wenn es einmal gelang, würde es auch öfter gelingen. Zwar nicht immer, aber doch häufiger und häufiger. Mir war nicht sehr wohl zu Mute, als ich mich im Sattel meines Fuchswallachs zurechtgerückt hatte. Aber es musste sein, heute oder nie! Und wenn es nicht gelang ...? Schritt ... geht ja immer. Trab ... mittelmäßig, ohne Zwischenfälle. Ich zwang mich, gerade zu sitzen, und fühlte selbst, dass es ging. Etwas besser wenigstens. Fricker sagte nichts – er war wie immer. Dann der Galopp! Noch jetzt, nach so vielen Jahren, bekomme ich einen ganz trockenen Mund, wenn ich daran denke. Jetzt musste die Entscheidung fallen. Jetzt! „Abteilung im Arbeitstempo, Galopp, Marsch!“ Es war die Bande gegenüber der Tür, an der ich mich befand, als das Kommando ertönte – jetzt! –, ich brauchte fast nichts zu tun. Derby sprang stets von allein an. Das tat er, aber dann ... In mir zitterte alles. Alles schien im Zeitlupentempo und doch so schnell vorzugehen. „Sitzen“, dachte ich wild entschlossen. „Aufrichten, richtig reinsetzen!“ Und ich saß. Ein Wunder war geschehen! Für mich war es ein Wunder. Ich erreichte die nächste Ecke; noch immer saß ich, fühlte das gleichmäßige Auf und Nieder des Pferderückens, und ich fand es auf einmal gar nicht mehr so hart und abstoßend. Man brauchte doch nur fest dran bleiben am Sattel. So, als ob man sich hinten an eine unsichtbare Lehne lehnen wollte, und das war schon alles. Derby kam gar nicht auf die Idee zu buckeln, nicht die Spur von Böswilligkeit. Da hörte ich Fricker sagen, diesmal ganz laut, denn das konnte jeder hören: „Nanu, das geht ja! Hast du zu Hause geübt?“ Es klang wie ... wie Weihnachten! „Worauf denn?“, rief ich zurück. Wahrhaftig, ich brachte es fertig zu lächeln, noch nicht einmal verkrampft. „Auf ’nem Bügelbrett vielleicht“, sagte er. Ich lachte. Meine Güte, war das herrlich! Herrlich, endlich etwas geschafft zu haben. Endlich ein Stückchen Anerkennung! Mir wurde bewusst, wie sehr mir das von ihm gefehlt hatte, denn ich mochte ihn ja inzwischen. Galopp war wunderbar und Derby überhaupt das beste Pferd im Stall und ich ...? Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt. Dies ist die kleine Geschichte, wie ich zu meinem ersten Fohlen kam: 1. Weil es eben eine Stute ist Fast jeder, der sich eine Stute anschafft, möchte auch früher oder später ein Fohlen daraus züchten. Ich hatte mir vor allem deshalb eine Stute angeschafft, falls sie mal nicht mehr zum Reiten zu gebrauchen wäre, könnte ich ja ein Fohlen haben. Nachdem mich mehrere Reitbeteiligungen dazu gebracht hatten, meinen festen Entschluss, mir nie ein eigenes Pferd zu kaufen, umzustoßen, kaufte ich mir die zweijährige Westfalenstute Ardéche. Einreiten und Ausbilden haben mich bei der eigenwilligen Dame viel Zeit und einige Blessuren gekostet. Sie war mit fünf Jahren dann aber ein angenehmes, sehr intelligentes Reitpferd, mit dem ich sehr zufrieden war. Mein Kollege Geert sagt immer: „Wenn du keine Sorgen hast, schaff dir ein Pferd an!“ In jenem Frühjahr stürzte Ardéche durch einen unglücklichen Unfall auf der Straße und schlug sich beide Fesselgelenke bis zur Gelenkkapsel auf. Ardéche lahmte nie daran, doch Wunden an solchen Dehnungspunkten heilen äußerst schlecht. Noch heute, drei Jahre später, sind hässliche Narben zurückgeblieben. So ergab sich die Gelegenheit, die Stute zum Hengst zu bringen. Inzwischen hatte ich meinen Verlobten Gerold kennen gelernt und wir waren zusammen aufs Land gezogen. Wir haben einen Stall beim Haus gebaut und etwas Land gepachtet. Gerold und sein Vater sind ebenfalls pferdebegeistert und besitzen und züchten Pferde. Denn ohne den nötigen Platz und Pferdegesellschaft wäre ein Fohlen für mich nicht in Frage gekommen! 2. Der passende Hengst Ich entschloss mich, dem Hannoveraner Verband beizutreten, da meiner Meinung nach das Konzept hier noch am besten und die Bandbreite der angebotenen Hengste am größten ist. Zahlreiche Fachliteratur habe ich gewälzt, welcher Hengst wohl am besten zu meiner Stute passt. Mit den alteingesessenen Züchtern habe ich mich unterhalten und bin zum Schluss doch zu dem Urteil gekommen: Die Entscheidung trifft man letztendlich selbst. Da weder die Natur noch die Pferde all die Artikel gelesen haben, drängten sich Gefühle und praktische Erwägungen in den Vordergrund. Stuten sind ja nicht unbedingt am Wochenende rossig und da ich berufstätig bin, wollte ich keine so großen Strecken zurücklegen. Direkt in Bangstede, praktisch bei uns um die Ecke, befindet sich eine Station des Hannoverschen Landgestütes. Dort konnte ich bequem zu Fuß hingelangen. Abgesehen davon gibt es dort immer den obligatorischen Ostfriesentee mit Keksen oder belegten Brötchen. Die Züchter, deren Stuten zum Besamen dort sind, sitzen beieinander und diskutieren die neusten Neuigkeiten, wobei es einiges zu erfahren und zu lernen gibt. Auf die Frage, ob die anwesenden Herren meinten, dass man den richtigen Hengst ausgewählt hat, bekommt man allerdings nie eine Antwort. Ich konnte dort jederzeit zum Probieren hingehen und auch Termine zur späteren Untersuchung wurden angeboten. Durch die Auswahl der Station schränkte sich auch die Auswahl an Hengsten ein. Es ist zwar möglich, auch von den anderen Stationen Niedersachsens Frischsperma zu bekommen, das war mir dann aber letztendlich zu aufwändig. Da Ardéche über ihren Großvater Angelo xx bereits Vollblutanschluss führt, wollte ich den Blutanteil noch etwas vergrößern. Meine Wahl viel auf den Angloaraber Lavauzelle, der damals das dritte Jahr in der Zentralbesamung in Aurich-Popens deckte. Mütterlicherseits bringt Ardéche über Dacapo/Frühlingstraum eher einen etwas gröberen Typ mit. Lavauzelle gefiel mir einfach, vor allem wegen seiner lockeren und raumgreifenden Bewegungen. 3. Wenn nur alles so einfach wäre Im März ließ ich in der Rosse die Tupferprobe entnehmen. Überraschenderweise war sie nicht in Ordnung. So etwas Dummes. Da hieß es, erst mal mit Antibiotika spülen und nächste Rosse wieder Tupferprobe. Endlich alles in Ordnung. Dann wieder die nächste Rosse abwarten, da hatten wir schon Mai! Ardéche konnte inzwischen wieder geritten werden, aber nun hatte ich mir schon so viel Mühe gegeben, nun wollte ich auch ein Fohlen! Bei der ersten Untersuchung auf Trächtigkeit nach knapp vier Wochen ließ ich den Tierarzt nur rektal abtasten. Das Ergebnis war: Zu neunzig Prozent ist die Stute tragend und ich sollte wegen des frühen Untersuchungszeitpunktes nach der zehnten Woche noch einmal untersuchen lassen. Nach sechs Wochen wurde Ardéche wieder rossig. Da hatte ich die Nase voll. Es war inzwischen Juli und die Decksaison war sowieso praktisch zuende. So habe ich mich dann wieder voll aufs Reiten konzentriert und auch eifrig Springen trainiert. Die Verletzung am Fesselgelenk war bis auf ein paar Narben abgeheilt und machte keine Probleme. Den Gedanken an ein Fohlen hatte ich inzwischen abgeschrieben. Ardéche zeigte auch regelmäßig Rossemerkmale: Sie pinkelte den Wallachen vor die Nase, quietschte und blitzte. 4. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt Der Herbst zog ins Land und nachdem die Pferde wieder im Stall standen, fand ich meine Stute wird zu dick. Ich habe sie dann auf Diät gesetzt. Ardéche machte sich dann daran, in wenigen Tagen die halbe Boxeinrichtung einschließlich Holzverkleidung aufzufressen. Ich dachte mir nichts dabei: Wer wenig zu fressen bekommt, hat natürlich Hunger! Prompt bekam meine Stute eine Kolik, wegen der zu großen Raufasermenge, die sie aufgenommen hatte. Bei der Untersuchung stellte der Tierarzt fest: „Herzlichen Glückwunsch ihre Stute ist ja tragend.“ „Kann nicht sein, sie ist doch rossig!“ „Also sie ist eindeutig tragend. 6. Monat.“ Und er scherzte: „Wird ein Stutfohlen mit Blesse.“ Wir waren echt überrascht. Die ganze Nacht haben wir uns dann mit der Kolik herumgeschlagen bis Ardéche über den Berg war. Drei Wochen später kam es noch schlimmer. Sei es wegen der vorangegangenen Kolik oder wegen einer Gebärmutterbewegung – die Stute hatte erneut eine Kolik, diesmal mit Darmverschlingung bzw. -verlagerung. Ihr Leben hing am seidenen Faden. Unser Tierarzt hatte sich sehr bemüht. Operieren kam für uns finanziell nicht in Frage. So drehten wir nach zahlreichen Infusionen Runde um Runde in der Reithalle und versuchten, zu einer Entscheidung zu kommen. Mein Schwiegervater legte sogar ein Küchenmesser bereit. „Falls sie umfällt, können wir gleich die Kehle durchschneiden.“ Ostfriesen sind eben praktisch. Spät nachts stellten wir Ardéche dann wieder in ihre Box, die wir bis auf ein paar Halme Stroh ganz leer gemacht hatten. Und tranken erst mal eine Tasse Tee, als wir den Tierarzt aus dem Stall hörten: „Du frisst? Ich dachte, du stirbst!“ Wir hatten Glück, der Darm hatte sich zurückgedreht, wie sich bei der folgenden Untersuchung herausstellte. Ich glaube, am meisten hat sich unser junger Tierarzt gefreut. 5. Ende gut alles gut Ich habe Ardéche dann noch bis zum Februar geritten und natürlich zahlreiche Bücher über Fohlengeburt gelesen. Alle Bekannten habe ich ständig verrückt gemacht. Am 22 April hat mein Verlobter Gerold Geburtstag und wir wollten Essen gehen. Ardéche hatte noch fünf Tage Zeit bis zum Geburtstermin und ich rechnete eigentlich damit, dass das Fohlen eher später kommen würde. Trotzdem ging ich, bevor wir richtig gut essen gehen wollten, noch einmal in den Stall. Mein Pferd war so unruhig, dass wir uns nicht mehr weggetraut haben. Wir hatten uns schon schick angezogen und zurechtgemacht. In diesem Fall war es die richtige Entscheidung, daheim zu bleiben. Wir hatten gerade noch Zeit, eine Pizza in den Ofen zu schieben und meinen Schwiegervater anzurufen. Man sah bereits Harztröpfchen am Euter. Manche Stuten laufen aber dann noch eine Woche damit herum. Ardéche hatte Nachsicht. Das Fohlen kam kurz darauf zur Welt und mit ein wenig Hilfe ging die Geburt sehr glatt. Es war ein Stutfohlen mit Stern, da hatte der Tierarzt gut geraten. Die Pizza war anschließend etwas braun, hat uns aber super geschmeckt! Das Fohlen heißt Luronne und ist heute eine kräftige Zweijährige, die sich mit den anderen Pferden auf der Weide tummelt. Ardéche ist jetzt wieder tragend. Wahrscheinlich jedenfalls. Quietschen und pinkeln tut sie auch in dieser Trächtigkeit. Mit Rosse hat das aber nichts zu tun. Bei ihr sind halt die Hormone etwas durcheinander, und sie ist ein bisschen überspannt, wie Frauen eben so sind. Mit ein bisschen Glück wird das Fohlen zu Ostern geboren. Der Tierarzt meint: „Hengstfohlen, vielleicht mit einer kleinen Schnippe.“ Ich denke mir: Erst mal abwarten, was noch alles passiert. Wie alles begann und wie Bonbon zu ihrem Namen kam Am 08.12.1987 fuhren Anja und ihre Freundin und Reitlehrerin Anne auf der Suche nach einem geeigneten Pferd zu einem Händler. Dieser war selber leider nicht anwesend, dafür aber ein Stall voller Pferde, die er gerade aus Ploen geholt hatte. Anja und Anne guckten sich um, ließen sich von Helfern ein paar Pferde aus den miserablen Boxen holen und entschieden sich schließlich für eine Anglo-Araber Schimmelstute. Was heißt entschieden? Trotz der Farbe – Anja hasst Schimmel – wollte man den Händler nach dem Preis fragen. Es war zwar wahrscheinlich, dass der Anjas finanzielle Möglichkeiten überschreiten würde, aber nun ja. Man fuhr wieder nach Hause, und Anne (die den Händler kannte) wollte sich um den Kaufpreis kümmern. Schließlich hieß es, die Stute solle 3800 DM kosten. Das war zuviel. Nach langem Betteln erklärten Anjas Eltern sich bereit, ihr 500 DM dazuzugeben. Wenn Anne nun noch einen niedrigeren Preis aushandeln könnte, würde es irgendwie gehen. Es vergingen einige Tage bangen Wartens, in denen Anja sich innerlich schon auf ihr Pferd freute. Am 11.12. rief Anne Anja morgens an, um ihr mitzuteilen, was sie erreicht hatte. „Tja, wie soll ich es sagen?“ Anja zeigte die erwartete Reaktion: „Schon gut ...“, woraufhin Anne anfing zu lachen. „Hab’ ich gewusst, dass du das jetzt sagst. Wir holen dich in einer halben Stunde ab, beeil dich!“ Anja schwang sich ungläubig und aufgeregt in ihre Klamotten und wartete auf Anne, deren Schwester Nike und den „Chauffeur“ Jürgen. Gut gelaunt fuhr man los. Auf der Fahrt erfuhr Anja den Preis: 3600 DM. Ein entsetzter Blick war die Folge. Das waren immer noch 100 Mark zuviel. „Ich weiß“, sagte Anne. „Den Rest gebe ich dazu.“ Was sollte Anja da noch sagen? Nun fehlte der Stute natürlich noch ein Name und es wurde eifrig beratschlagt. Der Name sollte natürlich kein Standard sein. Irgendjemand kam auf die schlaue Idee, Anjas derzeitigen Lieblingssatz zu verwenden, der ja auch bei Annes Anruf die erste Reaktion war: „Schon gut ...“ Tja, auf Deutsch klingt das natürlich nicht so toll. Auf Englisch? „Already well.“ Na ja, da hatten wir auch schon brillantere Lösungen. Französisch? Wie heißt es denn da? Déjàbon? Hm, wenn dann „Déjàbonne“, ist ja schließlich eine Stute. Das klingt doch prima! Der Name wurde von allen sofort akzeptiert. Und so heißt ganz bestimmt auch kein anderes Pferd. Sie waren richtig stolz auf ihre Gemeinschaftsproduktion. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto ruhiger wurde Anja. Beim Verladen des Pferdes schließlich sagte sie rein gar nichts mehr, sehr zur Verwunderung von Nike. „Freust du dich nicht?“ „Doch, dann sage ich immer nichts mehr.“ Déjàbonne wurde also mit leichten Schwierigkeiten auf den Hänger gebracht und man fuhr zurück nach Norderstedt, in den Stall Riebling, wo Anja schon seit zwei Monaten eine Box gemietet hatte, die nur noch auf einen Bewohner wartete. Dort wartete schon eine ganze Versammlung von Leuten, die nun alle Anjas tolles Pferd sehen wollten. Sogar Anjas Eltern waren da. Natürlich folgte nach dem ersten Staunen („ach ist die süß“ und „tolles Pferd“) die Frage nach dem Namen. Den verstand zuerst keiner. Anjas Vater kommentierte nur: „Ich versteh’ immer nur Bonbon.“ Damit hatte er den entscheidenden Satz gesagt: Von diesem Moment an wurde das frisch getaufte Pferd statt Déjábonne (fast) nur noch Bonbon oder auch Bonschi genannt. Damit waren endgültig alle Unklarheiten beseitigt und Anja und Bonbon – Verzeihung Déjàbonne – begannen den Start in ihre gemeinsame Zukunft, von der hier immer ein kleines bisschen mehr berichtet werden wird. DUKAT Dukat, ein betagtes und ausgedientes Turnierpferd kam vor einigen Jahren zu einem Bauern nach Ratingen, um seinen Lebensabend auf der Weide zu verbringen. Die Besitzer hatten ein neues Turnierpferd und Dukat, der die Tochter zu vielen Siegen und Platzierungen getragen hatte, sollte nun seine wohlverdiente Rente bekommen. Als solches eine sehr löbliche Entscheidung. Die erste Zeit war alles in Ordnung. Die Besitzer kamen Dukat regelmäßig besuchen und zusätzlich kümmerte sich eine Pflegerin um ihn. Dukat ging es prächtig. Im Laufe der Zeit kamen die Besitzer immer seltener. Die Tochter hatte angefangen zu studieren und man hätte nicht mehr so die Zeit (Wo man nur zehn Autominuten entfernt wohnte!). Okay, das war auch noch kein Beinbruch, denn Dukat hatte ja seine Pflegerin, die sich fürsorglich um ihn kümmerte. Irgendwann war es dann aber soweit, dass man nicht nur die Besuche von Dukat vergaß, man vergaß ihn ganz. Man vergaß, sich nach ihm zu erkundigen, man vergaß, seine Stallmiete zu bezahlen. Eine ganze Zeit lang wurde versucht, die Besitzer zu erreichen, aber alles brachte nichts. Was sollten wir tun, wenn Dukat einmal krank würde? Wer würde für die Kosten aufkommen? Der Bauer hatte Gott sei Dank ein großes Herz und fütterte Dukat auf seine Kosten weiter. Und das nicht nur ein paar Monate. Im Sommer letzten Jahres kam dann Silke auf den Hof und verliebte sich sofort in Dukat. Obwohl dieser inzwischen gar nicht mehr geritten wurde, wollte sie ihn kaufen und ihm einen schönen Lebensabend ermöglichen. Es wurde lange überlegt und schließlich wurde das Pferd (die Besitzer waren nicht erreichbar) auf Antrag des Bauern gepfändet. Die Stallmiete war lange Zeit nicht bezahlt worden und so war dieser Schritt möglich. Der Gerichtsvollzieher kam und ein großer rosa Zettel (die Verpfändungsanzeige) wurde an der Box angebracht. Natürlich wurden die Besitzer seitens des Gerichtsvollziehers davon in Kenntnis gesetzt, aber auch jetzt meldete sich niemand. Silke tat auch in dieser Zeit schon alles für Dukat – obwohl sie noch gar nicht wusste, ob er ihr jemals gehören würde! Leider wurde Dukat krank und enorme Tierarztkosten wurden verursacht. Silke war verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. Doch die Stallgemeinschaft hielt zusammen und organisierte eine Sammlung. Es war in der Adventszeit 1999 und auf dem Hof des Bauern wurde ein Weihnachtsmarkt veranstaltet. Das war die Gelegenheit Geld zu sammeln, aber wie? Wir hatten eine Idee und die wurde dann auch umgesetzt. Zum einen veranstalteten wir ein Ponyreiten. Vier Ponys standen zur Verfügung und so stampften wir im Wechsel den ganzen Tag durch die Eiseskälte und den Matsch. Des Weiteren stellte eine Einstallerin, die ein Lottogeschäft betrieb, ein Glücksrad und Unmengen von Rubbellosen und Preisen zur Verfügung, die alle zugunsten von Dukat verkauft wurden. Mit diesen Aktionen konnten wir über 500 DM für Dukat sammeln. Silke war glücklich und Dukat der Star des Weihnachtsmarktes. Viele Besucher hörten sich seine Geschichte an und spendeten spontan die ein oder andere Mark. Dukat wurde wieder gesund und alles schien sich zum Guten zu wenden. Doch leider war es nicht so. Im Frühjahr 2000, in Zusammenhang mit einem Wetterumschwung, erlitt Dukat einen Herzschlag und starb im Alter von über 20 Jahren. Silke war bis zum Schluss bei ihm.[/SIZE]