Jettie, Slytherin -
Die Reisen der Pimpinella Pim Etappe Alaska Ein junger Mann mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht und einem Schild in der Hand, hielt nach mir Ausschau. Magical Tours, wies er sich aus und ich folgte ihm grinsend in einen ramponierten Minibus. Aufkleber von gekreuzten Zauberstäben, Bären, Elchen und Adlern hielten die einzelnen Teile zusammen und verdeckten einige Rostdellen. Und diesem Gefährt sollte ich trauen? Zögernd stieg ich ein und verstaute mein Gepäck auf einem freien Sitz. Drei Mitfahrer nickten mir wissend zu und ich lächelte sie vage an. Wir rumpelten über Schlaglöcher hinweg und ich mochte schwören, einige größere übersprangen wir einfach. Zu meinem Erstaunen lag kein Schnee, zumindest nicht in den Ebenen. Wieso nicht? Ich dachte, ich wäre in Alaska! Stattdessen explodierten die Farben regelrecht vor meinen Augen. Graue felsige Küsten, saftig grüne Graslandschaften, gelbliche, riesige Wiesen und rot-orange leuchtende Büsche bildeten eine atemberaubende Szenerie. Dunkle Regenwolken hingen so tief, dass sie fast den Nebel berührten, der über den uralten Vulkanen aufstieg und die Gipfel verdeckte. Rauschende Bäche, von winzigen steinigen Inseln durchsetzt. So langsam wurde mir klar, wo ich mich befand. In Alaska, dem Land der Wölfe und Braunbären, der Lachse und Seeadler. Karibus, Elche und Rentiere, die die Wälder bevölkerten. Während wir fuhren, brach die Sonne durch die Wolken. In dem blanken Wasser des See zu unserer Rechten, zeigten sich die Berge, die durch die Natur gefärbten Laubbäume und der Himmel wie in einem Spiegel. Schwer beeindruckt erreichten wir unser erstes Ziel, den Kodiak National Wildlifepark, in dem wir unsere winzigen Zimmer in gemütlichen Holzhütten bezogen. Viel Zeit zum Einrichten blieb uns nicht, denn wir gingen sofort auf Entdeckungstour, Zauberstab in der Hosentasche, Fotoapparat griffbereit in der Innentasche der Regenjacke. Wir sprangen über schmale Bäche, in denen sich Fische tummelten. Ihre silbrigen Bäuche glitzerte im Sonnenlicht. Bestens gelaunt schlidderten wir über nasse Steine und drückten uns durch dorniges Gebüsch, abseits der schmalen Fußwege. Immer unserem Reiseleiter nach- der uns eine Bärenfährte zeigte. Es fühlte sich wie Stunden an, in denen wir an blitzsauberen Seen entlang liefen, durch Sümpfe und Mooren stapften. Fichtenwald, soweit das Auge reichte. Es wurde kühl und ungemütlich, Mücken umschwirrten uns beharrlich und ganz gemächlich setzte Regen ein. Erst in kleinen Tropfen, dann in stetigen Fäden. Weißkopfseeadler segelten hoch über unseren Köpfen, majestätisch und eindrucksvoll, obwohl sie kaum die Flügel bewegten. Sie stießen blitzartig herab, tauchten in das Wasser ein und stiegen mit einem Fisch im Schnabel wieder in den Himmel. Und plötzlich zerriss ein Knurren die Stille. Wir erstarrten wie nach einem Fluch, fast zeitgleich zerrten wir unsere Kameras hervor. Etwa zehn Meter vor uns, am Ufer eines Sees, erhob sich ein Braunbär, fast drei Meter groß, auf die Hintertatzen. Riesig, drohend die Zähne gefletscht, vertrieb er mit einem Prankenhieb einen zweiten Bär von seiner Beute. Um ihn herum tollte ein Jungtier, putzig wie ein Teddy. Unbeweglich stand ich da, beobachtete und staunte ehrfürchtig und gleichzeitig ein wenig ängstlich. Was, wenn er auf uns zu kam? Er tat es nicht. Um uns den Rückweg zu ersparen, nahmen wir einen Portschlüssel. Magie war wirklich etwas Fabelhaftes. Der Aufenthalt in Kodiak war zeitlich begrenzt und die Ziele der geplanten Reise eng gesteckt. Das Baranow-Museum ansehen, das im ältesten Holzgebäude Alaskas untergebracht war, wollten wir uns ansehen. Wir erfuhren dort von einem Einheimischen, dass das Gebäude früher als Pelzwarenlager diente und noch heute die russische Vergangenheit von Kodiak repräsentierte. So, wie er sich begeisterte, hörte es sich fast an, als wäre er damals dabei gewesen. Danach liefen wir an der orthodoxen Kirche mit den beiden hellblauen Turmspitzen, dem Wahrzeichen Kodiaks vorbei, und hielten dieses Bild für die Zuhausegebliebenen fest. Nun stand ein zweites Museum auf dem Plan, eines, das mich brennend interessierte, obwohl ich bitterlich fror. Bei fünf Grad Außentemperatur stolperten ich halb erfroren in das Alutiiq-Museum. Bei einer Führung durch das Gebäude erfuhr ich, dass kaum noch einer die Sprache der Alutiiq sprechen konnte. Wir wunderten uns über die Artefakte, die dort besichtigt werden konnten. Harpunen aus Knochen, Kinderspielzeug aus Holz. Elfenbein von einem Walross, alles bearbeitet von Werkzeugen aus Stein. Wie konnten die Muggel damals nur leben? Leider mussten wir zurück, das karge Abendessen wartete. Unterwegs fielen mir die unendlich vielen, zerlöcherten Straßenschilder auf. Nick, der Reiseleiter, erzählte zwinkernd, daran hätten jugendliche Zauberer ihre Flüche trainiert. Ich lachten auf und apparierte mit den anderen zu unserer Holzhütte. Am zweiten Tag brachte uns ein winziges Flugzeug nach Anchorage, in den Südwesten des Landes. Wir machten uns sofort auf den Weg zum Museum für Geschichte und Kunst, wo wir anhand von unbeweglichen Bildern und Modellen sahen, wie die Stadt 1915 innerhalb eines Monats aus Zelten entstand. Nach einem Jahr war bereits eine richtige Siedlung mit Häusern, Schulen und Stromanschlüssen gewachsen. Ob damals auch schon Zauberer unter der Bevölkerung waren? Nach einem reichhaltigen, richtig leckeren Mittagessen, einer Fischplatte mit Lachs, Heilbutt und Krebsen, setzten wir unsere Reise im Minibus zum Glacier-Bay-Nationalpark fort. Wir fuhren an der Küste entlang und machten oftmals Pausen. Wir freuten uns über die lustigen Papageientaucher, die dicht an unseren Aussichtspunkt herankamen. Ohne Vorwarnung schoss eine Fontäne aus dem Wasser und nach der ersten Schrecksekunde jubelten wir laut auf. Ein Minkwal, als dunkler Schatten unter weißen Schaumkronen erkennbar, tauchte kurz auf und verschwand wieder in den Wellen. Aufgeregt redeten wir alle durcheinander und dankten der Erfindung der beweglichen Fotos. Wieder und wieder ließen wir unseren Wal auftauchen, verschwinden und Fontänen sprühen, bis wir zum Aufbruch gemahnt wurden. Spät abends erreichten wir unseren Campingplatz in der Nähe von Juneau, schlüpften in die dick gefütterten Schlafsäcke und freuten uns auf den nächsten Tag, denn da wollten wir uns die Gletscherformationen ansehen. Auf einem Schiff, oder seien wir ehrlich, einer Nussschale, bewegten wir uns durch die mal breiten, dann wieder schmalen zerklüfteten Fjorde, in die unzählige kristallklare Flüsse und Bäche mündeten. Bläuliche Eiswände ragten vor uns auf und zu meinem Erstaunen auch leuchtend grüne Regenwälder. Dichter Nebel hing darüber und ich dachte erst, ich würde träumen. Aber man erklärte mir, an der Entstehung dieser Wälder wäre die Erderwärmung schuld. Gletscher schmolzen weg, setzten dadurch neue Landschaften frei. Das Boot schaukelte im Wind. Aufgeregt, mit Mütze und dick gefütterten Handschuhen bewaffnet, klammerte ich mich an der Reling fest und betete, dass wir ohne größere Verluste den Ausflug überlebten. In diesem winzigen Boot, fast schutzlos den Widrigkeiten ausgesetzt, fühlte ich sich klein und hilflos. Das Wasser, das ständig aufspritzte, war eiskalt, die Wellen hoch, Eisschollen trieben vorbei und vor uns türmten sich schneebedeckte Berge auf. Wir sahen die Gipfel des Mount Fairweather, drüben auf der kanadischen Seite. 4663 Meter war er hoch! Ganz schön beeindruckend. Die Bergziegen, die dort leben sollten, konnten wir selbst mit einem Scharf-Seh-Zauber nicht erkennen. Bergziegen- war das so etwas wie die schottischen Haggistiere? Es knackte und knirschte vor uns. Brocken von bläulich schimmerndem Eis krachten von einer blankgeschliffenen Gletscherwand ab und fielen mit so einer Wucht ins Wasser, dass wir von einer Fontäne fast durchnässt wurden. Dank eines raschen Imprägnierzaubers blieb mir das erspart. Der Abend im Camp gestaltete sich zauberhaft, im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bereiteten wir ein Barbecue vor. Karibu vom Grill. Statt Holzkohle nutzten wir jedoch unsere Zauberstäbe, die wir abwechselnd unter den Rost hielten, bis das Fleisch knusprig gebräunt war. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Mit meinen Mitreisenden verstand ich mich immer besser und an diesem Abend lernten wir uns genauer kennen. Wir redeten über unsere Magie-Erfahrungen und tauschten nebenbei noch neue Flüche aus. Noch eine Nacht im Schlafsack und schon mussten wir packen. Der Bus brachte uns nach Fairbanks, 300 km vom Polarkreis entfernt. Fairbanks, auch das Goldene Centrum genannt, wurde 1902 von Goldsuchern aus Klondike gegründet. Es war kalt und es lag Schnee. Ja, endlich Schnee! Strahlend weiß, so gleißend, dass es in den Augen brannte und ich meine Sonnenbrille hervorkramte. Sonnenstrahlen reflektierten in winzigen Schneekristallen und Eiszapfen funkelten wie kostbare Edelsteine. Zu unserer Freude wurden wir direkt zu den Unterkünften gebracht, wo wir einen Einführungskurs im Schneeschuhlaufen bekamen. Mehrmals purzelte ich in den tiefen, watteweichen Schnee, als ich versuchte, auf diesen unförmigen Muggel-Tennisschläger-ähnlichen Geräten zu gehen, doch mit einiger Übung und Stockeinsatz gelang es mir schließlich. Wir liefen und stolperten, machten einen kurzen Wettlauf zu der Tagungsstätte, wo Huskys auf uns warteten. Wuschelige Fellknäuel, bestimmt 30 an der Zahl, die sich im Schnee eingegraben hatten und nun, als sie uns sahen, an ihren Leinen zerrten. Die Sonne ging bereits wieder unter und wir beeilten uns, an den warmen Ofen zu kommen, wo wir spaßhaft um den besten Platz rangelten. Wobei sich mir die Frage stellte: Nutzen die Zauberer in Alaska den Kamin ausschließlich zum Heizen oder auch für andere, nützliche Zwecke wie Kommunikation oder rasches Reisen? Bei Gelegenheit sollte ich da mal nachhaken. Da wir uns der Theorie des Mushens widmeten, blieb mir keine Zeit für einen weiteren Gedanken dieser Art. Wir lernten also den Umgang mit dem Schlitten und den Hunden, die wir mit unserer Stimme und Gewichtsverlagerung steuern konnten und auf was wir achten mussten. Der Leiter des Kurses erklärte uns, wie die Hunde trainiert und das Gespann- er nannte es „Team“ zusammengestellt, und wie die Huskys an der Zugleine befestigt wurden. Erstaunlich, dass solche Hunde innerhalb eines Tages einen Schlitten über 200 km ziehen konnten und dabei Geschwindigkeiten bis 40 Km/h erreichten! Es war sehr interessant und ich freute mich von Minute zu Minute mehr auf den nächsten Tag, an dem wir einen kleinen Ausflug in die unendlichen weißen Weiten unternehmen wollten. Aufregung machte sich langsam in mir breit, es kribbelte in meinem Magen und die Kälte machte einer inneren Wärme Platz. Richtig lustig wurde unser Kurs, als wir gemeinsam das Gewichtsverlagern auf einem Holzmodell übten und reihenweise unter dröhnendem Gelächter umfielen. Doch die Krönung wurde das gemeinschaftliche Erlernen der Grundkommandos, die für das Führen der Schlitten unvermeidlich waren. Es erinnerte mich ein wenig an den Unterricht in Zauberkunst. Alle zusammen riefen wir „Go“ und „Whu“, mit einem langgezogenen „U“, was bedeutete, die Huskys sollten loslaufen oder stehen bleiben. Lachend wiederholten wir und ich verzichtete aufgrund der beteiligten Muggel auf zauberische Handbewegungen. Wir erlernten auch das Abbiegen und wie einfach wir die Hunde dazu brachten, langsamer zu gehen. Mit „Easy“- ganz easy, ähm, einfach zu merken. Nach all der Theorie wurden wir in Zweiergruppen eingeteilt und durften zu den Hunden hinaus in die Eiseskälte. Schnee knirschte unter meinen dicken Sohlen und ich beschloss, vorerst den Mund zu halten, bevor mir die Zunge an den Lippen fest fror. Wir lernten unser Team kennen und vor allem unseren Leithund, mit dem wir es uns nicht verscherzen durften. Ich kraulte das dicke, filzige Fell und schaute in die blausten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Ob ich den mit in den Koffer packen konnte? Handlich verkleinert für zu Hause? Auch das Schmusen fand ein Ende, wir mussten zurück. Mit hell leuchtenden Fackeln und unseren Schneeschuhen bewaffnet, machten wir uns auf durch die Nacht, zurück zum Camp. Wölfe heulten. Wir warteten, doch sie kamen scheinbar nicht näher. Ein rascher Blick nach oben, nein kein Vollmond, also wirklich normale Wölfe. Na, mit denen hätten wir es aufnehmen können. Vorsichtshalber tastete ich trotzdem nach meinem Zauberstab. Durchgefroren kamen wir in der Unterkunft an und rüsteten uns für eine weitere Nacht in Kälte und Eis. Mit einem Paukenschlag wurden wir geweckt und saßen kerzengerade im Zelt. Zusammenpacken, alles mitschleppen. Denn die Hunde sollten uns zum nächsten Ziel bringen. Vor Aufregung und Anstrengung kamen wir mit roten Gesichtern bei „unseren“ Huskys an und bepackten die Schlitten mit unserem Gepäck, das wir handlich zurecht gezaubert hatten. Wieso auch nicht, es war kein Muggel in Sichtweite gewesen. Sobald die Leinen rasselten, tobten die Hunde um uns herum, sprangen an uns voller Eifer hoch, manchmal mit allen Vieren gleichzeitig. Rasch fotografierte ich kichernd und verstaute die Kamera wieder. Da ich den Anfang machen durfte, stellte ich mich hinten auf den Schlitten und wiederholte mit einem Betreuer die Gewichtsverlagerung und die Kommandos. Er zeigte mir auch den Anker, den ich in Notfällen auswerfen konnte, natürlich nicht in Richtung der anderen Schlitten, und die anderen Bremsvorrichtungen. Grinsend nickte ich, in Gedanken fieberte ich dem Start entgegen und unterdrückte mit viel Mühe ein nervöses Hibbeln. Und dann endlich ging es los. Die Hunde hechelten. Ihre Atemwolken hielten sich lange Zeit in der Luft. Der Schnee unter ihren Pfoten knirschte und die Kufen meines Gefährts knarzten und knarrten gefährlich. Anfangs noch unsicher, wurde meine Stimme fester. Es machte irrsinnigen Spaß! Mein Team war flink auf den Pfoten, wirbelte Schnee auf, der auf unseren Schlittensack fiel und manchmal sogar auf meiner dunkeln Brille hängen blieb. Wir glitten durch den Trail hinein in eine scheinbar unberührte Welt aus weißer Pracht. Natürliche Schneeskulpturen ragten neben unseren Wegen auf und ließen nur vage eine Tanne erkennen. Kleinere Bäche waren zugefroren, glitzerten in den Sonnenstrahlen wie Diamanten. Wir holpern in gefährlicher Schräglage darüber und jubeln, das Stück ohne Hilfe gemeistert zu haben. Glasklares Eis, geformt vom kalten Wind, bildete ein abstraktes Märchenland, das mich an das Märchen der Schneekönig erinnerte. Wir fuhren noch eine Weile, dann tauschten wir. Meine Finger waren steifgefroren und meine Zehen… wo waren die eigentlich? Der Sack war kuschelig warm, ich fühlte mich wie im Bett unter einer dicken Daunendecke. Weiter ging es und der kalte Fahrtwind blies mir ins Gesicht. Die Hunde trabten gleichmäßig und ich hatte viel Zeit, mir die Landschaft anzusehen. Die Schneehügel, und mir vorzustellen, was vielleicht darunter liegen könnte. Eine Höhle, in der Bären schliefen? Eine Herde Karibus stob davon, als wir uns in raschem Tempo näherten. Gerne hätte ich sie näher betrachtet, doch scheu wie sie waren, brachten sie sich in Sicherheit. Wir kamen an unserem letzten Ziel an: Dem Gates of the Arctic- dem Tor zur Arktis. Wir befanden uns nördlich des Polarkreises und bezogen schaudern unsere Iglus. Eine Öllampe verteilte schummriges blaues Licht und- es war nicht so kalt wie draußen. Immerhin vier Grad Plus! Ausstattung: Ein Podest aus Schnee mit einem dicken Schlafsack und ein kleiner Kocher in der Mitte. Mein Iglu wurde über einen flachen Tunnel betreten und war gerademal so hoch, dass ich sitzen konnte. Mit ein wenig Zauberkraft könnte ich doch… nur ein bisschen? Nein, ich riss mich zusammen. Aber vielleicht ein paar Grad wärmer? Als das Eis anfing zu schmelzen und das Wasser in die Lampe tropfte, ließ ich auch diesen Gedanken samt Zauberstab fallen. Ich zitterte mich mehr oder weniger in einen leichten Schlaf und kroch dann doch noch mal aus meinem Schlafsack, um ein zweites Paar Socken anzuziehen und eine Mütze aufzusetzen. Früh am Morgen, nach einem üppigen Frühstück, verabschiedeten wir uns von unseren vierbeinigen, wolligen Gesellen, die bereits für Rückreise mit einer anderen Touristengruppe angeleint waren. Und natürlich hatte ich meinen Leithund nicht geschrumpft. Das konnte und wollte ich ihm nicht antun. Für diesen, unseren letzten Tag in Alaska, stand noch ein bisschen Action auf dem Programm. Mit dem Schneemobil wollten wir durch die Wildnis fahren. Die Geräte warteten auf uns, und nach einer kurzen Einweisung starteten wir. Wir rasten durch ein Labyrinth aus Talsenken und Gletschern, fuhren über Schneewehen hinweg, sprangen sogar einige Meter weit und überholten uns gegenseitig. Teilweise waren Flüsse in der Mitte nicht zugefroren und das rauschende Wasser übertönte die Motorengeräusche unserer Mobile. Bis Nick, der die Führung übernommen hatte, langsamer wurde und einen Arm wie einen Windmühlenflügel schwenkte. Auch wir wurden langsamer und hielten schließlich am Rande eines Waldes ganz an. Nicht weit von uns umkreiste ein Wolfrudel aus acht oder neun Tieren einen Elch. Die Wölfe waren riesig groß, mit langem, fast weißem Fell. Sie störten sich nicht an uns, witterten zwar kurz, widmeten sich aber doch lieber ihrer Beute. Sie trieben sie in die Enge, die Kreise wurden immer kleiner und ich hielt den Atem an. Es dauerte, bis sie endlich angriffen und mein Fotoapparat hielt die Bilder fest. Von allen Seiten griffen die Wölfe an, bis der Elch zur Seite sackte. Da hörte ich auf zu knipsen. Die Wölfe zerrissen die Beute und sicherten die Innereien. Deutlich erkannten wir das Alphatier, das mit Knurren und Drohgebärden die Rangfolge klärte. Ich hatte genug gesehen und ging zu meinem Schneemobil zurück. Mehr Blut brauchte ich nicht. Minuten später kam der Rest der Reisegruppe und wir machten uns schweigend auf den Rückweg. Das brutale und dennoch überlebenswichtige Schauspiel hatte mich doch arg mitgenommen. Der letzte Tag ging zuende. Wir saßen zusammen auf Eisbänken vor den Iglus. Die Nordlichter erhellten den Nachthimmel im Norden Alaskas. Sie leuchteten wie bei einem prächtigen Feuerwerk in rot, gelb und grün, manchmal sogar blau und lila. Kein Zauberstab der Welt konnte dies nachahmen. Nachts heulten die Wölfe, als würden sie mich verabschieden. Teils wehmütig, teils erwartungsvoll stieg ich in das kleine Flugzeug, das mich nach Fairbanks brachte, von wo aus ich nach Indien reiste.