Platz 1 Anjalina, Gryffindor -
Prinzessinnengefühle oder doch eher der graue Alltag? Ich merkte den Ruck nicht, als das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzte. Ich merkte auch nicht, wie ich mein Handgepäck nahm und die Maschine verließ. Ich war ganz in Gedanken versunken und die hatten nichts mit dem langen Flug nach Bombay zu tun, sondern nur mit dem Land, in dem ich mich nun befand. Es war als wäre ich seit langem in meine Heimat zurückgekehrt. So in Gedanken versunken passierte ich, ohne meine Umgebung zu beachten, den Zoll und die Abfertigung, nahm meinen Koffer vom Band und ging nach draußen. Dort blieb ich stehen. Der Lärm der Menschen und der wartenden Taxis raubte mir im ersten Moment den Atem, aber ich war wieder da. Ich war hellwach und nahm meine Umgebung plötzlich viel mehr war, als vorher. Ich stellte meinen Koffer neben mich und mir kam ein Gedanke: „Heimat“. Ja, irgendwie fühlte ich mich nur in Indien richtig zu hause. Ich war wieder zurück. Hier in Bombay hatte ich vor genau zwei Jahren - war das wirklich schon so lange her? Die Zeit ist wie im Flug vergangen seitdem. Es kam mir vor als wäre ich erst gestern gegangen – Jake, einen Amerikaner kennen gelernt. Er hatte mir Indien gezeigt und nebenbei mein Herz erobert. Ich war erst fünfzehn gewesen und er war zu dem Zeitpunkt zwanzig, aber ich bin indischer Abstammung und für indische Mädchen ist dies öfter das Alter der Heirat oder der Liebe. Leider gab es immer noch, auch heutzutage Zwangsehen. Meine Eltern, ebenfalls Inder hielten davon zum Glück nichts, doch auch sie wollten, dass ich schnell heirate, obwohl wir damals als ich nach Hogwarts kam nach England umgezogen waren und nur in den Ferien in Indien weilten. Sie kannten also die westlichen Sitten, doch sie wollten dennoch eine schnelle Heirat nach dem Ende meiner Schule. Da kam ihnen Jake, den ich in meinen Sommerferien kennen lernte, damals sehr gelegen. Es war ihnen zum Glück egal, dass er Amerikaner war. Aber all das ist Vergangenheit und wird nie wieder mein Leben beherrschen. Nun jedenfalls wollte ich unsere kleine Indienrundreise wiederholen und einige Plätze besichtigen, die ich mir damals mit ihm angeschaut hatte. Es würde mir schwer fallen, ja, aber es würde mir auch helfen. Ich habe Jake nie vergessen und würde es wohl auch nicht. Mit diesem Teil meiner Weltreise wollte ich mich an ihn erinnern. Ich nahm meinen Koffer wieder in die Hand, schnappte mir ein Taxi und lies mich zu einem Hotel bringen. Leider stand das kleine, gemütliche Hotel von damals nicht mehr, so dass ich mit einem Hotel des Massentoursimus klar kommen musste. Etwas anderes konnte ich mir einfach nicht leisten. Im Hotel angekommen ging ich auf mein nicht sehr gemütlich wirkendes Zimmer und legte mich hin. Das Bett war hart und die Matratze durchgelegen. Von der so groß angepriesenen Gastfreundschaft war hier nicht viel zu spüren. Das Zimmer war sehr klein, aber dennoch fühlte ich mich auf einmal verloren. Wie schön wäre es doch, wenn Jake dabei wäre – so wie letztes Mal. Stattdessen war ich in einem kleinen, schäbigen und dreckigen Zimmer in irgendeinem der vielen Hotels der Stadt mitten im Nirgendwo unter Leuten, die ich alle nicht kannte. Ich fühlte mich sehr einsam. Eine kleine, einzelne Träne kullerte meine Wange herunter. Ich schloss die Augen, um meine Trauer zu unterdrücken und schlief ein. Wie lange ich geschlafen habe, wusste ich nicht. Ich wollte keine Uhr. Ich wollte hier in Indien nur tun, was mir gefiel, ohne Plan, ohne Zeit, nur für mich. Ich stand auf und zog mich an. Westliche Kleidung mochte ich auf einmal nicht mehr Ich nahm meinen blauen Sari aus meinem Koffer, den einzigen, den ich damals, als ich ging, mitgenommen hatte, wickelte ihn um und ging. Essen wollte ich hier im Hotel nichts, stattdessen begab ich mich auf einen der kleinen Märkte und kaufte mir dort etwas. Ich sah mich um. Dieses farbenfrohe Treiben, abseits der Hauptverkehrsstraßen war doch etwas anderes. Ich fühlte mich heimisch. Ich liebte die bunten Saris mit den integrierten Kopftüchern der Frauen und die vielen bunten Farben, die überall zu sehen waren. Ich drehte mich einmal im Kreis, um alles aufzunehmen, was sich mir gerade bot. Ich war wirklich wieder zu Hause. So ganz konnte ich es nicht fassen. Fast hoffte ich, würde sich die Menge teilen und Jake auf mich zu kommen, aber ich wusste das war unmöglich. Er war vor einem halben Jahren bei einem Autounfall gestorben. Ich war nicht bei seiner Beerdigung gewesen, weil ich dachte, es nicht verkraften zu können, doch heute wusste ich, es war ein Fehler gewesen. Ich wollte ihm aber dennoch etwas geben und daher machte ich mich auf den Weg zu dem Ort, wo wir uns das erste Mal sahen – Haji Ali Dargah, die große Moschee mit dem Dargah auf einer kleinen Insel vor der Küste von Worli. Worli ist ein Stadtteil von Mumbai, denn Bombay heißt diese Stadt eigentlich nicht mehr. Sobald ich vor dem imposanten Gebäude mit seinen weißen Minaretten und Mogul-Kuppeln stand, erinnerte ich mich, was Jake mir damals gesagt hatte. Er hatte mich einfach so angesprochen und erzählt, dass diese Moschee nach Haji Ali, einem muslemischen Heiligen, der sie erbauen ließ, benannt war. Dieser Mann hatte auf seinen ganzen Besitz verzichtet und sich einzig und allein der Meditation gewidmet. Er selbst hat Indien nie erreicht und wie das Grabmal und die Moschee letzten Endes entstand weiß keiner wirklich. Es gibt nur zahlreiche Überlieferungen und Legenden, aber es scheint, dass keine der Wahrheit nahe kommt. Wie damals war ich auch jetzt immer noch davon schwer beeindruckt. Die Wirkung, die dieses Gebäude auf jemanden haben kann, ist umwerfend. Es scheint, als sei man nicht mehr in der Welt, aus der man kam. Es ist ein Gefühl, als ob man schweben würde, bei all der spürbaren Würde und majestätischen Schönheit, die von diesem Gebäude ausgeht. Ich beschloss weiter zu gehen, denn die Stadt Mumbai sollte nicht der einzige Ort in Indien sein, den ich besuchen wollte. Ich wollte dennoch versuchen in der kurzen Zeit, die mir bleib alle Orte, an denen ich mit Jake in Mumbai war, zu sehen. So ging ich den kleinen Dammweg, der die Insel der Moschee und das Festland bei Ebbe verbindet zurück. Ich dachte über die Jahre nach, die ich hier in Indien mit Jake gelebt hatte, nachdem er mich am Taj Mahal fragte, ob ich bleiben würde. Es machte mich traurig zu wissen, dass er nie wieder kommen würde, aber es machte mich gleichzeitig glücklich hier an den Orten zu sein. Hier war er mir so nah, näher als sonst wo auf der Welt. Hier konnte ich mich wieder wie eine Prinzessin fühlen – wie damals als er bei mir war. Ohne es zu merken, hatte ich mich mit einem Taxi zum Malabar Hill bringen lassen, um die Dokhmas zu sehen, die sieben parsischen Türme des Schweigens. Diese Türme sind, kennt man ihre Geschichte, nicht schön, aber sie gehören zum Land dazu, wie eben der Taj Mahal. Auch mich überkam ein Schaudern, als ich vor der großen Mauer stand, welche die Türme umgibt. Diese Türme sind eigentlich Begräbnisstätten. Die Toten wurden darauf gelegt und man ließ die Geier das Fleisch fressen. So verhinderte man, nach dem Glauben der Parsen, die Verschmutzung der Elemente. Noch immer wird dies praktiziert, vor zwölf Jahren, als ich das letzte mal hier stand, noch mehr als heute. Schon damals war dies in meinen Augen eine Schmach, aber zum Glauben der Parsen gehört es eben hinzu, so wie bei den Christen das Kreuz vorhanden ist. Es war sehr schwer damals für mich dies zu akzeptieren, aber Jake hat es mir in Ruhe erklärt und mich beruhigt. Auch heute, jetzt in diesem Moment, konnte ich nur hier stehen und die Türme betrachten, weil ich wusste, dass er bei mir war. Er beschützte mich, wo auch immer er sich jetzt befand. Plötzlich flog ein Geier über meinen Kopf hinweg und ein Schauder umfing mich. Ich drehte mich um, kehrte den Türmen den Rücken zu und machte mich auf den Weg zum Queen´s Necklace – in unserer Sprach: Halsband der Königin. So wird er von de Einheimischen genannt, auch wenn der eigentliche Name Netaji Subash Chandra Marg lautet. Dies ist kein Gebäude, sondern die Meerespromenade. Eigentlich ist sie nicht schön, denn es gibt nur einen Gehweg und die achtspurige Stadtautobahn, aber Jake meinte damals zu mir, ich sollte mir das unbedingt ansehen. Also fuhr ich auch heute zu dem Ort hin, wo ich damals mit ihm war. Das einzige, was ich daran interessant finde ist das Aquarium mit den tropischen Fischen, aber ansonsten mochte ich diesen Ort heute genauso wenig wie damals. Er war zu laut, mit zu vielen Sportanlagen, zu vielen Hochhäuser und zu vielen Touristen. Ich fand schon damals die Orte mit wenig oder gar keinen Touristen viel schöner und aufregender, denn an einem solchen Ort, wie dieser Promenade, bekommt man vom eigentlichen Leben nichts mit. Noch heute sollte mein Flug in die Hauptstadt Indiens, Neu-Delhi, abfliegen, so dass mir nur wenig Zeit blieb, bis ich meinen Koffer aus dem Hotel holen und zum Flughafen fahren musste. So beschloss ich mir die Fische anzusehen und dann weiter zu fliegen auf meinem Weg, zum letzten Mal gemeinsam in Indien, zum letzten Mal gemeinsam mit Jake. Mir war schon jetzt klar, dass ich nie wieder zurückkehren würde, da der Schmerz, der Gedanke an Jake, zu groß sein würde, um erneut ein Leben in Indien – ohne ihn – durchzustehen. Dafür hatte ich zu lange mit meinen Eltern hier gelebt und dann zu viel Schönes mit ihm erfahren. Indien war zwar immer noch meine Heimat, aber nicht mehr meine Heimat zum Wohnen, sondern nur noch meine Heimat in meinem Herzen. Mittlerweile war ich eine Europäerin, auch wenn ich indisch aussah. All diese Gedanken spukten in meinem Kopf, während ich darauf wartete, dass das Flugzeug endlich in Neu-Delhi auf der Rollbahn aufsetzte. Mir kam es vor, als wäre es schon seit Stunden im Landeanflug. Im Bombay fand das gesellschaftliche, bunte Leben statt. Die Bollywood-Filme, die in Europa einen regelrechten Boom ausgelöst haben, werden alle dort gedreht. Und dennoch ist Mumbai, wie es ja richtig heißt, nicht die Hauptstadt von Indien. Die Hauptstadt ist Neu-Delhi, dort, wo soeben endlich mein Flieger auf der Rollbahn aufsetzte. Wir waren endlich gelandet. Ich stieg aus, holte meinen Koffer und gab ihm am Schalter auf. Ich würde morgen Abend von hier weiter fliegen, um meine Weltreise woanders fortzusetzen und würde bis dahin nicht in einem Hotel sein. Heute im Laufe des Tages würde ich mich auf den Weg zum Taj Mahal machen und morgen früh dort eintreffen, um dann morgen Nachmittag zurück nach Neu-Delhi und zum Flughafen zu fahren. Heute aber gehörte meine ganze Aufmerksamkeit Neu-Delhi. Ich ging aus dem Flughafengebäude und trug noch immer meinen blauen Sari. Ich brauchte zunächst etwas anderes zum Anziehen und machte mich auf den Weg zu einem kleinen Basar, den ich damals mit Jake besucht hatte. Ich hoffte, dass es den immer noch geben würde und hatte Glück. Noch immer verkauften sie dort so tolle Stoffe und Saris. Ich entschied mich für einen roten Sari und kaufte mir noch einen hellblaue Kaftan, um etwas Abwechslung zu haben. Den Kaftan zog ich an, denn unter vielen Menschen fand ich den doch bequemer als einen Sari mit viel wehendem Stoff. So bekleidet machte ich mich auf, ein wenig von Neu Delhi zu sehen, bevor ich auch schon weiter zum Taj Mahal musste. Ich fuhr mit einem Taxi zuerst zum Rashtrapati Bhavan, dem Präsidentenpalast. Er wurde ursprünglich für den Vizekönig gebaut, ist heutzutage aber Residenz des Präsidenten. Ich stand da vor und fand dass es ein sehr imposantes Gebäude ist. In der Mitte des Daches erhebt sich eine große Mogulkuppe und vor dem Gebäude an sich steht eine große Säule. Wenn es weiß wäre, könnte man fast meinen es wäre das Weiße Haus in Washington mit der Siegessäule im Vorgarten. Ich blieb nicht lange, denn diesen Palast hatte ich mir mit Jake nie angeschaut. Damals wollte ich ihn nicht sehen – warum weiß ich nicht mehr. Statt dessen beschloss ich mir das Parlamentsgebäude, das Sansat Bhavan, anzusehen, in das ich vor zwölf Jahren einen kurzen Blick erhaschen durfte, da Jake dort geschäftlich einen Tag zu tun hatte. Dieses Gebäude ist kreisrund und nicht sehr hoch, besitzt aber eine Kuppel und hat außen Säulen, die in gewisser Weise an das Colosseum in Rom von außen erinnern. Früher wurden die drei kreisrunden inneren Säle für Versammlungen genutzt, heute hingegen ist eine Bibliothek zum Thema Politik dort unter gebracht, da die Versammlungen nach der Unabhängigkeit nicht mehr nötig waren. Ich hatte keine Lust hineinzugehen und so sah ich es mir nur von außen an und ging ein wenig über den davor gelegenen Platz mit seinem großen, rötlichen Springbrunnen spazieren. Der Platz und auch das Haus dahinter kamen mir sehr fremd vor. Ich fühlte mich auf einmal hier nicht mehr heimisch, denn mir fehlte Jake an meiner Seite. Ich vermisse ihn und diese Gefühle sind in unserer alten Heimat doch sehr stark und an einigen besonderen Plätzen, wie eben diesem Haus – denn dass ich damals das Parlamentsgebäude von innen sehen durfte, war etwas besonderes für mich – noch stärker. Ich beschloss weiterzugehen, denn ich merkte bereits einige Tränen hochsteigen, doch Gefühle in Indien auf der Straße zu zeigen war nun einmal verpönt und von daher verbarg ich meine Tränen und ging weiter. Ich machte mich auf den Weg zu Jantar Mantar, der Sternwarte. 1725 ist sie von Herrscher Jai Singh II. errichtet worden. Sie ist fast noch genauso erhalten wie sie damals errichtet wurde. Es ist eigentlich nur eine Ansammlung von roten und weißen Steingebäuden, doch auch jetzt noch faszinierte mich diese Perfektion nach der die Gebäude errichtet wurden. Jedes einzelne fungiert nämlich als gigantische Sonnenuhr und früher wurden anhand der Schatten Sonne und Mondkalender sowie sogar die Zeit abgelesen. Die Gebäude an sich sehen wirklich sehr merkwürdig aus. Immer wieder stößt man beim Hindurchgehen bzw. zwischen ihnen Durchlaufen auf kleine Treppen. Die Bauten an sich sind mal höher, mal kleiner, mal verwinkelt, mal gerade und viele von ihnen können auf kleinen, krummen, gebogenen oder geraden Treppen, eben angepasst an den Bau selbst, bestiegen werden. Alles wirkt sehr grotesk und ungeplant, aber das ist es eben nicht. Ich liebe diesen Ort hier noch immer. Solange Jake damals in Neu Delhi berufsmäßig zu tun hatte, hielt ich mich fast täglich hier auf, denn ich fand dieses Spiel der farblichen Gebäude mit den Schatten, von denen eben die Zeit und andere Dinge abgelesen werden konnte, faszinierend. Auch heute beschloss ich spontan ein wenig an diesem Ort zu verweilen, und dem Schauspiel zuzusehen. Doch irgendwann musste ich weiter. Ich wollte nun endlich zum Taj Mahal und machte mich auf den langen Weg. Es dauerte fast den ganzen restlichen Tag, um auch nur in die Nähe zu kommen und so beschloss ich in einem kleinen Hotel auf dem Weg zu übernachten, den nächsten halben Tag beim Taj Mahal zu verbringen und dann zurück nach Neu Delhi zum Flughafen zu fahren, um abends meinen Flieger zu erwischen. Am nächsten Morgen machte ich mich, gekleidet in meinen neuen roten Sari, auf den Weg zum Taj Mahal. Dieses Mausoleum ist einzigartig auf der Welt. Es wird auch Monument aller großen Liebe genannt und dieser Name ist sehr passend. Ich ging durch das Eingangsgebäude und blieb stehen. Von hier hatte man den besten Blick auf das schneeweiße Gebäude aus Marmor. Mogul Kaiser Shah Jahan ließ den Taj Mahal als Begräbnisstätte und Denkmal für seine, im Kindbett verstorbene Frau, Arjumand Banu Begam errichten. Er zeigte so seine unsterbliche Liebe gegenüber seiner Frau. Alles mögliche an diesem Gebäude hat seine spezielle Bedeutung, wie mir wieder in Erinnerung kam. So stehen die 22 Kuppeln am Haupttor für die 22 Jahre Bauzeit, doch das eigentlich imposante und zugleich traurige ist die Geschichte des Gebäudes an sich. Eigentlich wollte Shah Jahan nämlich für sich selbst auf der gegenüberliegenden Seite ein zweites solches Bauwerk aus schwarzem Marmor errichten lassen. Es sollte das Spiegelbild des Taj Mahal und sein eigenes Mausoleum werden. Sein Sohn wollte das nicht, sperrte seinen Vater in einen Turm durch dessen Fenster dieser immer den Taj Mahal sehen konnte und begrub ihn nach seinem Tod im Taj Mahal neben seiner Frau. Er begründete es damit, dass er sagte, so seinen die beiden nicht durch einen Fluss getrennt, sondern ewig vereint. Schon wieder stiegen mir Tränen in die Augen. Ich ging los, um meine Trauer zu verbergen und schritt langsam und ganz in Gedanken an dem kleinen langen rechteckigen Teich entlang zum Gebäude. In diesem Moment fühlte ich mich wie vor zwei Jahren. War ich noch in der Gegenwart oder wieder in der Vergangenheit? Ich wusste es nicht. Es war wie damals, als Jake neben mir lief und ich diesen wunderschönen rot und goldne bestickten Sari anhatte und er mich am Ende des Tages, genau vor dem Taj Mahal fragte, ob ich ihn heiraten möchte. Ich fühlte mich in diesem Moment, wo ich so am Wasser auf den Taj Mahal zulief wie damals und wie eine Prinzessin. Ich hatte das Gefühl zu schweben und nicht mehr in der Wirklichkeit zu verweilen. Vor dem Gebäude blieb ich stehen und betrachtete es. Ich war gefangen in meiner Welt. Ich hatte wirklich das Gefühl, Jake würde neben mir stehen, doch als ich zur Seite schaute, war der Platz neben mir leer. Ich schaute auf die andere Seite und auch hinter mich, doch nirgends stand er. Plötzlich wurde ich mir der Realität bewusst. Ich sah mich um und erblickte nur Touristen, die sich den Taj Mahal interessiert anschauten. Es waren kaum Einheimische da, geschweige denn mein Jake. Da überkam mich die Trauer. Ich wusste, er würde nie wieder bei mir sein. Ich wusste, er würde nie wieder mit mir Indien anschauen können. Ich blickte hoch zu dem imposanten Gebäude, zu seiner Kuppel, dreht mich um und ging. Es hatte keinen Zweck mehr noch länger in Fantasie und Träumerei zu leben. Mir wurde in diesem Augenblick klar, dass Jake immer bei mir ist, aber nie mehr so wie vor zwei Jahren. Ich wusste in diesem Moment auch, dass ich nie wieder an diesen Ort, nie wieder zum Taj Mahal, zurückkehren würde, denn dieser Ort war ein Ort von Jake und mir gewesen und ohne meinen zweiten Teil nichts mehr wert für mich. So ging ich durch das Eingangsgebäude zurück ohne mich noch einmal umzudrehen und machte mich auf den langen Weg zum Flughafen von Neu Delhi. Ich wusste, ich hatte nicht alle Orte gesehen, die ich eigentlich sehen wollte, das war in der kurzen Zeit einfach nicht möglich, aber ich hatte zu mir selbst gefunden und das war wichtig. Ich wusste, Jake würde nicht mehr lebendig, aber nun wusste ich, er würde immer bei mir sein. Mit diesen Gedanken stieg ich in Neu Delhi in die Maschine, die mich nach Kambodscha bringen sollte, meiner nächsten Etappe auf meiner Weltreise. Das Flugzeug hob ab und noch einmal schaute ich hinunter auf die Stadt, in der ich viele glückliche Stunden erlebt hatte. Höher und höher stieg es und bald schon schaute ich nur noch auf das Land, in dem ich lange Zeit mit meinen Eltern in meiner Kindheit und später in meinen Ferien gelebt hatte und glücklich war. Ein Jahr intensivstes Glück mit Jake war darunter, welches wir in den Ferien genießen und mit einer wundervollen Indienreise abschließen durften. Doch all das würde nie wieder sein und gehörte für immer der Vergangenheit, meiner Vergangenheit an. Mir wurde klar, ich würde nie mehr zurückkommen und so verabschiedete ich mich endgültig von meiner Heimat. Ich verabschiedete mich endgültig von Indien. Ich verabschiedete mich endgültig von Jake. Ich ließ mich zurück in meinen Sitz sinken, schloss die Augen und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.