Krönung in Ungarn - --
Graf Andrassy regierte nach seiner Begnadigung wieder in Ungarn und wollte die Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich auf eine neue Basis stellen. Sissi hatte zwischenzeitlich heimlich perfekt ungarisch gelernt und das, obwohl sie sich im Lernen von Fremdsprachen eigentlich immer sehr schwer getan hat. Im Januar 1866 traf sie das erste Mal auf den ungarischen Grafen, während einer Delegation. Der Graf versprühte alles das, was sie sich von einem Mann immer erhofft hatte. Er hatte eine unglaubliche Energie und war ein überaus sportlicher Mann, den Sissi im Stillen bewunderte. Im Gegensatz zu Franz versprühte der Ungar bei den Festlichkeiten Phantasie und Lebenskraft, welche Sissi sehr beeindruckte. Sissi verliebte sich sofort in den Mann und dieser wusste die Kaiserin für seine Sache zu begeistern. Schnell ließ sich Sissi zu einem Werkzeug der Ungarn machen, was sie jedoch aus Überzeugung tat. Ungarn war für sie ein Land ohne Zwänge und höfische Etikette. 1867 gelang Ungarn der große Durchbruch. Mit Sissis Hilfe erhielt das Land eine eigene Regierung und lediglich die Außen- und Finanzpolitik wurden weiterhin aus Wien gesteuert. Andrassy regierte nun als früherer Rebell wieder als Ministerpräsident in Budapest. Nur ein Ziel galt es noch zu erreichen. Die Ungarn wollten, dass das Kaiserpaar in Ungarn zum Königspaar gekrönt wurde. Besonders Franz war viel daran gelegen, sodass am 08. Juni 1867 aus der österreichischen Monarchie die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurde. Nach der Krönung erhielten sie den Landsitz Gödöllö als Geschenk. Während eines mittelalterlichen Fests fand die Krönung in der Matthiaskirche auf dem Burgberg statt. Bei der großen Gala trug der Kaiser eine ungarische Uniform und die Kaiserin ein ungarisches Festkleid. Sissi war unumstritten der Mittelpunkt dieser Feier und wurde als Glücksbringerin des Landes gefeiert. Nach den vielen Empfängen und Festen stand fest, dass Sissi die populärste Frau Ungarns war. Franz tat alles um die vergangene Revolution wieder gut zu machen: Die damals beschlagnahmten Güter wurden ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben, politische Gefangene wurden freigelassen, die Familien der Hingerichteten erhielten eine Entschädigung. Kurz nachdem sie zurück in Wien angekommen waren, fuhr die Kaiserin für einen längeren Aufenthalt nach Ungarn, auf den Landsitz Gödöllö. Hier konnte Sissi wie in Kindheitstagen auf Possenhofen leben und brauchte sich nicht um die höfische Etikette zu kümmern. Besonders intensiv betrieb sie den Reitsport und erhielt von dem Grafen Nicolaus Esterhazy eine Vollblutzucht zur Verfügung gestellt. Täglich ritten die beiden aus und manchmal besuchte sie auch der Graf Andrassy. In Wien fanden diese Treffen keinen guten Anklang und man kritisierte die Kaiserin wo man nur konnte. Zudem pflegte Sissi auch engen Kontakt zu dem Hofverräter Elemer Batthyány, welches in Wien noch viel weniger geschätzt wurde. Sissi selbst kümmerte das wenig und sie genoss es souverän zu entscheiden und zu handeln. Als Sissi, wie ihr Vater schließlich eine Zirkusmanege auf dem Landsitz aufbauen ließ, brach ein großes Entsetzen auf der Hofburg aus. Besonderes Vergnügen bereiteten Sissi die ungarischen Zigeuner, die sie oft tagelang auf ihre Kosten verköstigte, was in Wien nur missgünstig beäugt wurde. Im Jahr 1867 sehnte sich Sissi nach neuem Mutterglück, sodass sie entschloss noch ein Kind zu bekommen. Mittlerweile war sie 31 Jahre alt und somit in den besten Jahren. Im April 1867 gebar sie schließlich ihre Tochter Marie Valerie. Während der Schwangerschaft gingen viele Gerüchte umher, dass das Kind möglicherweise nicht von Franz Joseph sei. Man spekulierte, dass der wahre Vater Graf Andrassy ist, mit dem Sissi in diesen Tagen oft engen Kontakt gepflegt hatte. Als die kleine Tochter jedoch zur Welt kam, verstummten solche Spekulationen, da die kleine ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Desto weniger sie sich um die Erziehung ihrer anderen Kinder gekümmert hatte, umso mehr kümmerte sie sich nun um ihre letzte Tochter. Marie Valerie musste bereits im Kleinkindalter ungarisch sprechen lernen und die Konversationen zwischen ihr und Sissi wurden stets nur in ungarischer Sprache geführt. Anschließend reiste Sissi nach England, der Geburtsstätte des Reitsports. Sie wollte dort die Kunst der Parforcejagd vervollständigen und Franz wagte es nicht ihr diesen teuren Spaß zu verbieten. Dennoch fand auch in Wien keiner Anklang daran, da die Stadt immer noch unter dem Krieg gegen Italien zu leiden hatte und die Staatskasse bereits überschuldet war. Auch die Presse nahm keine Rücksicht mehr und kritisierte Sissi öffentlich. Die Königin von England war auch nicht besonders gut auf Sissi zu sprechen, da diese fest geplante Festessen spontan absagte und unangemeldet zu den unpassendsten Zeiten im Schloss eintraf. Im Frühjahr 1872 verlobte sich ihre älteste Tochter Gisela mit ihrem Vetter Leopold. Elisabeth war nicht besonders glücklich über diese Verbindung, hatte jedoch keinerlei Einfluss auf ihre Tochter. Zuerst wurde sie ihr von der Schwiegermutter entfremdet und anschließend verlor sie selbst das Interesse an der Erziehung mit zu wirken, da sie lieber vor dem Hof geflohen ist. Der Aufenthalt in England war für die Kaiserin so aufregend, dass sie 1876 sofort wieder nach England reiste. Sie engagierte den Offizier Bay Middleton als Reitlehrer und wollte von ihm das Hindernisreiten erlernen. Selbst Knochenbrüche nahm Sissi bei diesem Sport in Kauf. Die Finanzierung des Sports war nun kein Problem mehr, da Franz Joseph zwischenzeitlich von seinem Onkel eine beträchtliche Summe geerbt hatte. Somit erhöhte er das Jahreseinkommen seiner Frau von bisher 100.000 Gulden auf 300.000 Gulden. Zudem überschrieb er seiner Frau ein Vermögen in Höhe von 2 Millionen Gulden zur ganz persönlichen Nutzung. Sissi liebte ihr neues Leben. Franz und ihre Kinder spielten nun kaum noch eine Rolle und auch Heimweh quälte sie nur geringfügig. Mittlerweile sprach auch das Wiener Volk nicht besonders gut von ihr. Man hatte kein Verständnis für die großen Ausgaben der Kaiserin in fremden Ländern, denn im eigenen Land leidete die Bevölkerung immer noch Hunger.