Geblendet durch Eifersucht -

Geblendet durch Eifersucht

Als ich am nächsten Tag zeitig das Schulgelände des Gymnasiums betrat, konnte ich meine Freundinnen noch nicht sehen. Ich nahm einfach mal an, dass sie schon im Klassenraum waren und dort auf mich warteten. Zwar hatten wir Frühling, doch es waren immer noch ziemlich kalte Temperaturen, sodass die meisten Schüler Zuflucht in den warmen Klassenräumen suchten. Nur wenige standen in kleinen Gruppen auf dem Gelände und tauschten am frühen Morgen Neuigkeiten aus. Er war da, so wie jeden Morgen. Wie jeden Morgen war er vertieft in ein Gespräch mit seinen Freunden, doch immer wieder hob er den Kopf und sah hinüber zum Schuleingang, als ob er auf jemanden warten würde. Jeden Morgen tat er das, und dann kam ich mir ziemlich fehl am Platz vor. Immer schien es, als suchte er seine Freundin ... obwohl ich mir nicht einmal sicher war, ob er eine hatte. Wie immer fiel sein Blick auf mich. Wie jeden Morgen blieb ich für einen Moment wie erstarrt stehen und sah wie gebannt in seine braunen Augen und konnte mich einfach nicht von seinem Anblick lösen. Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Bauchgegend aus und ein unsicheres Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Wie jeden Morgen wandte er sich schließlich mit ausdruckslosem Gesicht ab und ich hatte das Gefühl, in einen schwarzen Abgrund zu stürzen. Mit dem Gefühl, den besten Augenblick des Tages hinter mir zu haben, torkelte ich weiter in meinen Klassenraum.

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Ich saß auf meinem Stuhl und meine Finger trommelten ungeduldig auf der Tischplatte herum, während Lizzie mit ihren Beinen hin und her pendelte. Sie hatte es sich auf meinem Tisch gemütlich gemacht und sah mit gerunzelter Stirn durchs Fenster, hinaus auf den Hof. Es waren nur noch wenige Minuten bis Stundenbeginn und die liebe Jess hatte sich immer noch nicht dazu herabgelassen, uns unwürdige Kleinkinder mit ihrer Anwesenheit zu begnügen. „Sie kommt noch“, meinte Lizzie grinsend und zwinkerte mir zu. Sie konnte an meinem verspannten Gesicht lesen, dass es mir lieber wäre, wenn Jessica schon hier wäre. Warten erforderte Geduld und davon hatte ich nicht sehr viel. „Natürlich kommt sie, aber es wäre doch auch mal schön, wenn sie pünktlich wäre“, meinte ich spitz und warf einen wütenden Blick zur Tür, durch die Jess hoffentlich bald kommen würde. „Die Zicke macht sich wieder an ihn ran“, meinte Lizzie, in einem Ton, als ob es um die letzten Herbstferien ginge. Ich schaute auf und warf einen Blick durch’s Fenster. Er war gerade auf dem Weg ins Schulgebäude. Ein blasses Mädchen mit langen, rotblonden Haaren tänzelte um ihn herum. Trotz der kühlen Temperaturen trug sie nur einen dünnen, schwarzen Pulli über dem hellblauen Top und eine eng anliegende dunkelblaue Jeans, die ihre makellose Figur zur Geltung brachte. Ihre blauen Augen waren auf den blonden Jungen neben ihr geheftet und ließen nicht von ihm ab. Wild gestikulierend sprach sie auf ihn ein, während er ihr anscheinend interessiert und mit einem süßen Lächeln auf den Lippen zuhörte. Eifersucht kochte in mir hoch. Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, ballte meine Hände zu Fäusten und presste die Lippen aufeinander. Wieso waren es immer die gut aussehenden und beliebten Mädchen, die um ihn herumtanzten. Wieso konnte nicht ich es sein? Ich schlug mit der flachen Hand wütend auf den Tisch. „Joy!“, mahnte mich Lizzie und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. „Hör auf, dich so aufzuspielen, wenn du eh nichts machst.“ Ich biss mir auf die Zunge, um meiner besten Freundin nicht meine Meinung um die Ohren zu hauen – und das in einem nicht gerade freundlichen Ton. „Du hast Recht“, meinte ich schließlich und sah zu, wie die beiden Turteltauben im Gebäude verschwanden. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag ein wenig und ich brachte meine Gedanken unter Kontrolle, die dabei waren sich vorzustellen, diese dämliche Blondine mal so richtig bloßzustellen. Vielleicht könnte ich ihr in der Cafeteria Spagetti über ihr Top kippen oder ihr ein Bein stellen, sodass sie sich vor all den anderen Schülern zum Affen machte. Es gab noch viele andere Varianten und Gedanken, doch dabei blieb es auch. Es waren nur Gedanken und ich legte keinen allzu großen Wert darauf, anderen weh zu tun. In dem Moment erklang eine vertraute Stimme auf dem Gang, die man selbst im Klassenraum noch hören konnte. Einige meiner Klassenkameraden blickten auf, wandten sich dann aber wieder anderen Dingen zu. „... Ja, Süßer, ich ruf dich dann später an!“, hallte die Stimme meiner besten Freundin im Gang wider, bevor die Klassentür, die bis dahin nur angelehnt war, sich zur Gänze öffnete. Die hohen Absätze klapperten über den Boden, als Jess mit erhobenem Kopf auf uns zu schritt. Ihr Schulter langes, blondes Haar wallte über den Bogen und schien einen leichten Glanz auszustrahlen. Ihre geschminkten, schimmernden Lippen waren zu einem süßen Lächeln verzogen und ihr Gang war beschwingt und locker. „Hey Jessica, wieder mal einem Jungen den Kopf verdreht?“, rief Emily, die weiter vorne im Klassenraum saß und mit ihren Freundinnen gequatscht hatte. Sie hatte sich umgedreht und blickte zu Jess hinüber. Diese grinste der Brünetten zu und zwinkerte schelmisch. „Natürlich Em, du kennst mich doch! Mir entgeht keiner!“ Damit wandte sich Jess wieder ab und durchquerte den Raum, bis ganz nach hinten, wo Lizzie und ich ihr entgegen sahen. „Na, wie geht’s euch?“, fragte die Blondine munter, als sie sich auf den Platz neben mich setzte. Sie warf ihr Haar mit einer Bewegung ihrer Hand über die Schulter und schaute von einem zum anderen. „Gut“, meinte ich und erwiderte ihren Blick, wobei eine gewisse Neugier in meinen Augen zu lesen war. „Wen hast du denn gerade so lautstark auf dem Flur verabschiedet?“ „Jason“, meinte Jess, grinste schelmisch und strich die Falten aus ihrer Bluse. „Ein Junge aus dem Jahrgang über uns ... ein sehr gut aussehender Junge.“ Lizzie schnalzte missbilligend mit der Zunge, doch ein verstohlenes Grinsen spielte um ihre Züge, sodass man ihr ansehen konnte, dass sie die verborgene, kritische Missbilligung nicht ernst meinte. Auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Er kommt auch zu Anns Party“, fuhr Jess fort und ihre Augen funkelten belustigt. „Ich würde gerne sehen, wie Lukas darauf reagiert. Anscheinend begleitet er seine neue Freundin zur Fete. Na, ich wäre mir nicht so sicher, ob das gut geht. Anscheinend ist sie eine ziemliche Tussi. Sie macht sich an jeden ran. Hauptsache, er besitzt Ansehen.“ Lizzie schnaubte, Jess warf ihr einen halb fragenden, halb zustimmenden Blick zu. „Auf der Party werde ich ihn so richtig fertigmachen ...“ Ich räusperte mich und blickte von Lizzie zu Jess. „Was für eine Party?“ Während Jessica meinem Blick etwas verwirrt begegnete und mich anstarrte, als ob ich ein Alien wäre, biss sich Lizzie auf die Lippe und sah zu Boden. „Ich glaub, ich hab vergessen, ihr Bescheid zu geben ...“, murmelte sie betreten und ließ ihr braunes Haar nach vorn schwenken, sodass es ihr Gesicht, wie ein Vorhang, verbarg. Ich runzelte die Stirn. „Was?“ Jess seufzte und blickte Lizzie leicht vorwurfsvoll an. „Am Wochenende steigt bei Ann eine Party. Das müsstest du ja wissen.“ Sie sah mich zweifelnd an, als ob sie sich nicht ganz sicher wäre, ob ich so etwas wirklich wüsste. „Alle sind eingeladen, eine Menge Leute werden kommen. Lukas, Kim, seine neue Freundin, Jason, ER und wir sind natürlich auch mit von der Partie ...“ Sie grinste und ich spürte, dass sie genau wusste, dass mir, nachdem sie den letzten Satz gesagt hatte, eigentlich keine Wahl mehr blieb, als dahin zu gehen. Ich sah es in ihren Augen, dass sie wusste, was ich dachte. Und auch Lizzies Blick spürte ich auf mir ruhen. „Ich habe nichts zum Anziehen“, meinte ich kleinlaut und verfluchte meine Unwissenheit. Wenn ich zu einer solchen Party ginge, bräuchte ich das richtige Outfit. Etwas Besonderes, das mich selbst neben dieser blonden Kuh gut aussehenden ließe. Wieso war ich immer die Letzte, die so etwas erfuhr?