6. Am Brunnen - -
 Am nächsten Morgen wachte Chiris als Erste auf und sah, dass es aufgehört hatte zu schneien. Sie ging leise nach draußen, um aus dem alten Brunnen hinterm Haus Wasser zum Waschen zu holen. Als sie jedoch vor die Tür treten wollte, lag der Schnee meterhoch vor ihr. Sie dachte so bei sich: „Wenn die alte Frau uns schon so gastfreundlich aufgenommen hat, dann sollten wir auch etwas für sie tun.“ Sie ging wieder hinein, um die anderen zu wecken. Als die alte Frau aufstand, um Wasser zu holen, merkte sie zu ihrem Erstaunen, dass die Mädchen schon wach waren. Sie trat aus der Tür und sah Chiris und Alina Schnee schippen, während Robin gerade mit einem großen Eimer voll Wasser zurückkam. Nur Melian fehlte. „Ihr seid aber fleißig!“, rief sie aus, „Dann brauche ich ja nur noch das Frühstück zu machen.“ Sie ging wieder hinein. Als bald danach die Mädchen mit der Arbeit fertig waren und wieder hinein gingen, stand ein leckeres Frühstück auf dem Tisch. Alina fragte die Frau: „Haben sie Melian gesehen?“ „Nein, seit gestern Abend nicht mehr“, sprach sie. Es dauerte aber nicht lange und es klopfte an der Tür. Melian war wieder da und sah ganz erfroren aus. „Ich bin Holz hacken gewesen“, sagte er vergnügt und schichtete einen Stapel Holzscheite neben dem Ofen auf. Danach ließ auch er es sich schmecken. Während des Essens erzählte die Frau ihnen eine Geschichte, die sich schon vor vielen Jahren zugetragen hatte. In der ging es um einen Lichtstrahl, der eines Nachts auftauchte und kurz darauf bebte die Erde für kurze Zeit. Die Mädchen und Melian sahen auf. „Und wo fiel der Lichtstrahl hin?“, fragte Chiris. „Hinters Haus, da, wo der Brunnen steht“, antwortete sie und erzählte weiter, doch sie merkte nicht, dass ihr nur noch drei Personen zuhörten. Plötzlich unterbrach Chiris sie. „Entschuldigen Sie, aber kann ich mir den Brunnen mal näher ansehen?“ „Aber natürlich!“, antwortete sie verwirrt. Die anderen sahen sie fragend an und folgten ihr kurz darauf nach draußen. Chiris blickte in den Brunnen. „Wissen Sie, wie tief dieser Brunnen ist?“, fragte sie die Frau. „Er müsste schon so zehn Meter tief sein!“ Chiris sah auf, schaute sich um und rannte ins Haus zurück. Kurz darauf kam sie mit einem Seil zurück, band es an einem Haken fest und drückte Alina das eine Ende in die Hand. „Wenn ich dreimal am Seil rucke, dann zieht mich bitte wieder hoch“, sprach sie und schwang sich über den Rand des Brunnens. Viel Seil verschwand in der Tiefe, bis sie heraufrief, sie brauche Licht. Alina ließ noch ein zweites, dünneres Seil mit einer Lampe hinunter. Es dauerte wieder eine Weile, in der Chiris schemenhaft erzählte, was sie sah. Eine Art Loch sähe sie und in dem läge eine kleine silberne Truhe. Sie ruckte am Seil und ließ sich wieder hochziehen. Als sie oben war, hätte Alina beinahe losgelassen, weil Chiris mit Schlamm und Dreck verschmiert war. Sobald sie aus dem Brunnen raus war, zog sie an dem anderen Seil, welches noch unten war, und zum Vorschein kam die kleine silberne Truhe. Nachdem sie diese öffneten, sahen sie einen feinen, in ein Säckchen gefüllten Staub, der in allen Farben schimmerte. Mit einem Mal bekam Melian leuchtende Augen. „Ihr habt sie gefunden“, rief er, „ihr habt einen Teil der Fantasie gefunden.“ Sprachlos schauten sie alle Melian an. Plötzlich setzte sich Alina vor lauter Staunen einfach auf den Boden. Die alte Frau lachte und Robin und Chiris legten einen Freudentanz im Schnee hin. Nun konnte die Reise weitergehen. Sie dankten der alten Frau für alles, was sie für sie getan hatte und schlugen den Weg zum Wald ein, wie sie es ihnen vorgeschlagen hatte. Sie liefen über eine alte Brücke und kletterten einen Berg hinauf, denn der ansteigende Weg, den sie von unten gesehen hatten, war total verwildert. Noch immer lag Schnee, aber die vier Freunde kamen jetzt besser vorwärts als am Abend zuvor. Auf der Suche nach der Fantasie