autumn, Slytherin zu Annele - 4. Platz
  Der ganz besondere Sommernachtsball Es war ein ganz besonderer Abend im Château d’eau, ein Abend, auf den die angehenden Hexen und Zauberer schon lange hingefiebert hatten. Und damit auch ein ganz besonderer Abend für die junge Madeleine. Es war die Zeit des Sommernachtsballes. Und das allein hätte schon ausgereicht, um alle Schüler (vor allem aber die Schülerinnen) in Aufruhr zu versetzen. Immerhin galt es, die schönsten Kleider aus dem Schrank hervorzuholen und sich in Schale zu werfen, möglicherweise sogar die Nacht an der Seite eines charmanten, jungen Herrn zu verbringen. Aber nein, was bei allen Beteiligten tatsächlich für helle Aufregung sorgte, war die Tatsache, dass zum ersten Mal seit der Existenz dieses Balles Muggel zu einer Feierlichkeit des Château d’eau eingeladen worden waren. Und zwar nicht etwa die alten Damen und Herren, die sich als Spender auszeichneten oder jene Einflussreichen und Vermögenden, denen gezeigt werden sollte, dass man in diesem Internat wohlerzogene junge Damen und Herren hervorbrachte. Tatsächlich sollten Jugendliche aus der Stadt die Gäste des Sommernachtsballes sein. Auch für Madeleine war das selbstverständlich Anlass zu Nervosität, aber auch unendlicher Vorfreude. Zwar hatte sie, wie auch die Anderen, an einigen der legendären „Friday Night Outs“ teilgenommen, doch all das fand nun mal unter – wenn auch nur mäßig strenger – Aufsicht der Professoren statt und Gelegenheit, sich wirklich mit den Muggeln zu unterhalten, hatte man dabei im Grunde genommen niemals. Außerdem war sie noch nicht allzu häufig bei diesen Ausflügen zugegen gewesen, immerhin war sie gerade erst 16 und im Berliner Nachtleben bis dahin nicht erwünscht. Besonders viel hatte sich Madeleine also bisher nicht getraut, was das Kennenlernen von Muggeln anging. Doch das sollte sich heute endlich ändern! Was diesen Abend besonders speziell machte, war, dass jedem der jungen Zauberer und Hexen eine Begleitung aus den Reihen der Berliner Jugend zugeteilt worden war. Und wer das sein würde, wie er aussehen würde, das wusste natürlich keiner und war Gegenstand wilder Diskussionen, seit das Großereignis mitsamt der neuen Regelungen vor ein paar Wochen angekündigt wurde. Alle hofften auf das interessanteste und vor allem hübscheste Date des Abends – dass dieser Traum nicht für jeden in Erfüllung gehen würde, verstand sich wohl von selbst. Doch die Hoffnung darauf wollte auch Madeleine nicht aufgeben, bevor sie sich nicht mit eigenen Augen vom Gegenteil überzeugt hatte. Die einzige Information, die sie bisher von ihrer Begleitung erhalten hatte, war sein Name. Und der klang schon mal vielversprechend – Alexander von Rossum, das hörte sich doch nach altem Adel an, nicht? Madeleine jedenfalls konnte es nicht erwarten, ihn kennenzulernen und sich hoffentlich auf der Stelle von seinem Aussehen und Charme in den Bann ziehen zu lassen. Bis dahin hatte sie allerdings noch eine Menge zu tun. Duschen, Körperenthaarung, Make-up, eine schicke Frisur zaubern – alles, was ein Mädchen vor einem großen Abend wie diesem nun mal macht. Und dafür hatte sie, wie das blonde Mädchen mit einem erschreckten Blick auf ihre Armbanduhr feststellte, nun nur noch zwei Stunden Zeit. Es war Beeilung angesagt! Zumindest bedeutete das, dass die Zeit bis zum Beginn des Balls um 19.30 Uhr wie im Fluge verging. Kaum hatte sie die letzten Wimpern getuscht und nochmal ihre kunstvollen Locken im Spiegel überprüft, war es auch schon Zeit, die Treppen nach unten herabzusteigen und ihren Gast in Empfang zu nehmen. Als sie am Beginn der Treppe angelangte, reihten sich vor ihr schon ihre weiblichen und männlichen Mitschüler auf, die allesamt ihren richtigen Platz in der Reihe einnahmen. Sie selbst würde weit am Ende stehen, das war das Schicksal der Personen, deren Familiennamen mit „V“ begannen. Gerade, als sie ihren Platz als drittletzte eingenommen hatte, öffneten sich die großen Eingangstüren und der erste junge Mann im Anzug betrat die Bildfläche. Madeleine konnte sich deutlich das glückliche Lächeln der Auserwählten vorstellen, die diesen Typen abgesahnt hatte. Denn selbst von fast ganz oben auf der Treppe konnte sie erkennen, dass an ihm kaum etwas auszusetzen war, was das Äußere anging. Genauer gesagt wünschte Madeleine sich in diesem Moment, selbst dort unten zu stehen und seinen Arm nehmen zu dürfen. Leider war es aber nicht sie, sondern Doreen, die mit diesem Prachtexemplar an der Hand in Richtung des großen Ballsaals abzog. Immer weiter und immer weiter stieg Madeleine im Laufe der nächsten Minuten die Treppe hinunter, eine Stufe nach der anderen. Als endlich ihr Name genannt wurde und sie unten am Fuß der Treppe angelangt war, blickte sie gespannt in Richtung der geöffneten Tür in Erwartung ihres Dates für den Abend. Hätte sie in diesem Moment jemand berührt, hätte er vermutlich eine Gänsehaut gespürt, so groß war Madeleines Aufregung. Als sie schon glaubte, sie könne es nicht eine Sekunde länger aushalten, diese Spannung zu verspüren, trat endlich eine Person durch die Tür. Die Person, auf die sie schon seit der Ankündigung des Balls wartete – Alexander von Rossum. Und er war genau das, nein, sogar noch mehr als das, was sich Madeleine von einem Jungen mit diesem klangvollen Namen erhofft hatte. Tatsächlich hörte die Blonde die beiden weiblichen Mitschüler, die noch hinter ihr standen, bei seinem Anblick verträumt seufzen. Und hätte sie sich nicht stark zusammengerissen, wäre ihr genau das wohl auch widerfahren. Stattdessen versuchte sie sich an einem charmanten, aber nicht zu überschwänglichen Lächeln, machte den letzten Schritt auf Alexander zu und ließ sich dann von ihm am Arm zum Ballsaal geleiten in Erwartung der neidvollen Blicke der anderen Mädchen, einschließlich Doreen. Inzwischen liefen sie schon über eine Minute nebeneinander her und keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort gesagt. Als sich Madeleine nun endlich entschloss, sich ihm zumindest noch einmal vorzustellen und dafür ihren Kopf ein wenig in seine Richtung drehte, vergaß sie dieses Vorhaben allerdings sofort wieder – denn er sah sie mit einem Blick an, der in ihr ein Bauchgefühl auslöste, als würden tausend Schmetterlinge darin flattern. Schnell senkte sie den Blick und sagte schließlich: „Wie gefällt es dir hier im Schloss, Alexander?“ Während sie weiterliefen wandte er nun seinen Blick von ihr ab und sah sich seine Umgebung genauer an. Inzwischen waren sie durch die sonst für Muggel nicht durchquerbare Eichentür hindurchgegangen, deren Schutzzauber für diesen einen Abend aufgelöst worden war und erreichten nun den wunderschön dekorierten Ballsaal. Es war verständlich, dass Alexander nun sagte, er wäre begeistert von dem Gebäude. Alles andere wäre eher verwunderlich gewesen, immerhin war die Festung bereits von außen eindrucksvoll, von innen aber beinahe noch bewundernswerter. Schließlich gelangten sie nach einigen weiteren Momenten schüchterner Stille in den Saal und suchten nach dem Tisch, auf dem ihre Namensschilder aufgestellt waren. Als Alexander den Stuhl für sie vom Tisch wegrückte, konnte Madeleine ein begeistertes Lächeln nicht unterdrücken. Das war ihr erstes offizielles Date und schon erwischte sie einen perfekten Gentleman – das konnte doch nur ein toller Abend werden! Als sie dann auch noch Doreen mit ihrem jetzt nicht mehr ganz so beeindruckenden Begleiter direkt gegenüber an ihrem Tisch entdeckte, konnte sie sich ein Grinsen ob des eifersüchtigen Blickes ihrer Schulkollegin nicht verkneifen. Endlich wandte sie sich nun wieder an Alexander, der sie erwartungsvoll ansah, als sie zum Sprechen ansetzte. „Wie bist du eigentlich an diese Einladung gekommen?“, erkundigte sie sich, woraufhin er ihr ausführlich erklärte, dass eine Art Auswahlverfahren für die Vergabe der Teilnahmekarten stattgefunden und er in diesem das Glück gehabt hatte, als Gast ausgesucht zu werden. „Nun, das erklärt zumindest, warum hier alle Gäste gut aussehend und intelligent zu sein scheinen“, dachte sich Madeleine und war im Grunde kaum überrascht, dass die Karten für diesen Ball nicht frei erhältlich gewesen waren. Für die Schüler und Schülerinnen hier wurde eben doch nur das Beste zugelassen. Aber solange dabei so etwas wie Alexander herauskam – warum nicht? Nachdem nun endlich die erste schüchterne Stille überwunden war, ergab sich zwischen Alexander und Madeleine ein sehr angeregtes Gespräch, indem sie eine Menge Ähnlichkeiten zwischen sich feststellten. Sie beide waren Halbwaisen, stammten aus wohlhabenden Familien und liebten die Musik und das Tanzen. Was sie schließlich auch auf die Tanzfläche führte, sobald diese eröffnet war. Das junge Paar tanzte und tanzte die halbe Nacht hindurch, zu Disco Fox, Walzer, Jive, einfach allem, was gespielt wurde. Und als sich der Abend seinem Ende näherte, tanzten sie bereits sehr eng und Madeleines Kopf schien seine dauerhafte Position auf der Schulter von Alex (so würde er lieber genannt werden, hatte er ihr im Laufe des Abends gestanden) gefunden zu haben. Als sie nach vielen Stunden des Tanzens kaum noch aufrecht stehen konnten, beschlossen die beiden schließlich, sich draußen auf einer Bank niederzulassen, um die letzten gemeinsamen Minuten dort zu verbringen. Die frische Luft tat gut, auch wenn bei Madeleine bereits nach kurzer Zeit die Gänsehaut zurückkehrte – dieses Mal allerdings tatsächlich, weil sie fror. Doch was machte das schon aus, wenn man genau aus diesem Grund den Arm eines jungen, überaus attraktiven Herrn um seine Schultern gelegt bekam? Madeleine hatte das Gefühl, noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen zu sein und genau das sagte sie auch zu Alex. Nur noch eines fehlte jetzt, um den Abend perfekt zu machen – ein Kuss. Ihr erster richtiger Kuss. Denn wenn nicht er ihn ihr geben würde, wer könnte jemals besser geeignet sein? Und kaum hatte sie diesen Wunsch zu Ende gedacht, hörte sie auch schon den Gong erklingen, der die Schüler zum Schlafengehen auffordern sollte – und damit leider auch das Ende der Veranstaltung ankündigte. Sobald der Hall verklungen war, beugte sich Alex zu ihr, blickte ihr in die Augen, wartete einen kurzen Moment auf jeglichen Widerstand und berührte dann ihre Lippen mit seinen. Es war nur ein kurzer Moment, viel zu schnell ging er vorbei und Madeleine öffnete langsam wieder ihre Augen, ein Lächeln umspielte dabei ihre Mundwinkel, in ihren Augen aber war vor allem Bedauern zu sehen, welches sich in Alex‘ Gesichtszügen wiederspiegelte. Als sie gemeinsam von der Bank aufstanden und sich auf den Weg ins Schloss machten, hielten sie ihre Hände und umarmten sich dann ein letztes Mal, bevor Alex sich mit einem letzten Blick in Madeleines Richtung auf den Heimweg machte. Auch das blonde Mädchen begab sich nun auf in ihren Schlafsaal, wo sie sich nur schnell ihrer Kleidung entledigte, die Mädchen, die sie mit Fragen zu Alex bombardierten auf morgen vertröstete und dann in Sekundenschnelle einschlief. In dieser Nacht träumte sie von Alex. So gut und tief hatte sie selten geschlafen. Und es war genau das eingetreten, was sie erwartet hatte – es war ein ganz besonderer Abend gewesen.