Sechstes Kapitel - Die Wahrheit
[SIZE=20]Die Wahrheit[/SIZE] Doch Mileenas Verwandlung war im Moment nicht von Bedeutung, im Moment. Der Zauberer war verwundert und verärgert zugleich. „Was erlaubst du dir, du... du... kleines Biest! Ich bin hier der Mächtigste, nicht du! Aber nun ja, wenn du es unbedingt so willst, dann lass uns kämpfen. Du gegen mich, ein unfairer und für mich zugleich befriedigender Kampf. Hier eine Kostprobe von meiner Macht.“ Kay schraubte es nach oben. Mit einem Klatsch knallte sie gegen die Decke um dann mit einer gewaltigen Wucht wieder nach unten zu fallen. Kaum landete sie auf dem Boden war sie schon wieder in der Luft. Kay konnte von Glück reden das sie ohnmächtig war. Bei dieser Karussellfahrt mit enormer Geschwindigkeit wäre ihr bestimmt sau übel geworden. Er ließ sie wieder fallen. An ihren Armen waren Schürfwunden und ihr Hexenkostüm war blutverschmiert. Die Warzen hingen alle schief und nun sah sie wahrhaftig wie eine grausame Hexe aus. Der Mann lacht schallend. Für ihn war dies alles Spaß. Es war wie wenn eine Katze mit der gefangenen Maus spielt bevor sie mit Genuss verspeist wird. Er spielte, hatte seinen Spaß. Um Kay erschien ein Ring aus Feuer der sich langsam auf sie zu zu bewegen schien. Da fiel dem Zauberer auf das er seiner „Maus“ gar keine Todesangst einjagen konnte, weil sie nichts spürte. Er weckte sie mit einem Zauber und kaum war sie wieder unter den Lebenden ließ er die Flammen weiterzüngeln. Kay schrie sich die Seele aus dem Laib. Als die Flammen sie dann erreichten und ihre Schuhsohlen leicht anstupsten schloss sie beängstigt die Augen. Doch es passierte nichts. Die Flammen waren erloschen und sie hörte nur den Spaßhabenden Zauberer, der sich köstlich darüber amüsierte wie „leicht zum Schaudern zu bringen diese Menschleins doch sind!“ Kay rappelte sich auf. Sie würde sich nicht kampflos ergeben. Sie war kein jämmerlicher Feigling und erst recht kein ängstliches Menschlein. „Dir zeig ich’s du Betrüger!“ Im Moment fehlten ihr aber die guten Ratschläge der Stimme in ihrem Kopf. Kay wartete ungeduldig. Als niemand ihr eine Anleitung zum „Bösen-Buben-Töten“ einflüsterte, packte sie die Panik. War sie im Stich gelassen worden? Stand sie nun hier mutterseelenallein und hatte gerade einen sehr mächtigen Zauberer herausgefordert obwohl sie keine Ahnung von Magie hatte? Ja, so war es wahrscheinlich, und nun würde sie sterben. Welch grausames Ende. Kay stand da und versuchte sich die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. So viel Unterhaltung wollte sie ihrem Gegenüber auch nicht bieten. „Du bist wie dein Großvater. Mutig und viel zu stolz um kampflos aufzugeben. Verloren hast du doch sowieso. Da ist es doch egal ob man noch einen tollen Zauber schnell Mal runterleiert? Oder ist das anders? Soweit reicht mein Ehrgefühl dann scheint’s doch nicht!“ „Du hast kein Ehrgefühl! Du trickst herum, du hast Spaß am töten! Das ist kein Ehrgefühl!“ „Nicht so frech! Ich verbitte mir diesen Ton, oder es gibt saftige Ohrfeigen!“ Kays Kopf zuckte zur Seite als eine riesige nicht sichtbare Hand nach ihr schlug. Doch eine zweite kam von der anderen Seite und dieser konnte Kay nicht ausweichen. Der Schlag traf sie hart. Von der Wucht gegen die Wand geschleudert blieb sie reglos liegen. „Nana! Jetzt hat’s der Göre wohl die Sprache, wortwörtlich, verschlagen, tja! Und nun, was mach’ ich nun mit dir?“ Er kam einen Schritt auf sie zu und gab ihr einen abfälligen Tritt. „Nun töte ich dich! Mir ist der Spaß vergangen“, lacht er. Kay blieb liegen. Sie war zwar wach, aber sie wollte ihr grausiges Schicksal nicht mit ansehen und ihm gönnt sie ihren schreck- und angsterfüllten Blick auch nicht. Genüsslich deutete er mit dem Finger auf sie. „Du wirst keinen angenehmen Tod haben, nicht so wie Ezuses. Er ist einfach wie ein Nima eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Du wirst wie eine richtige Hexe sterben: grausam!“ Er schien einen Augenblick verträumt, vielleicht stellte er sich vor, dass er hätte nie sterben müssen, wäre da nicht dieses dumme Gör gewesen. Er war nur ganz kurz unaufmerksam, doch diese Chance nutzen zwei um ihren Plan durchzuführen. Als aus seinem Finger die tödliche leuchtspirale drang die Kay einfach den Sauerstoff rauben sollte, bekam er von hinten eine Feuerfontäne mitten durchs Herz gestoßen. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, er schien wie erstarrt. Doch die Spirale wand sich trotzdem aus seinem Finger. „Jetzt, Dee, schnell!“ Der gelbe Blitz zuckte hervor und zischte auf Kay zu. Mit einem knattern erlosch die Spirale als sie gegen eine Wand prallte. Dee war auf sein Kommando hin hervorgesprungen und hatte Kay mit einem wagemutigen Hechtsprung gerettet. Kay, die ihre Augen immer noch fest geschlossen hatte, zitterte am ganzen Körper. Erst als Dee beruhigend über ihre Haare strich und ihr gut zuredete traute sie sich die Lider hochzuschlagen. „Was ist passiert?“ Gerade als Dee anfangen wollte es ihr zu erzählen, wusste Kay es plötzlich. „Diese Geschichte wollte ich dir ersparen!“, sagte ein Mädchen das sich kichernd aus dem Staub erhob. „Wer bist du“, fragten Kay und Dee gleichzeitig? „Ich bin es, die böse Mileena. Ich weiß, ich sehe anders aus, das liegt daran dass ich wieder zu dem geworden bin was ich einmal war. Kommt her, ich will es euch erklären.“ Gini und Tim gesellten sich ebenfalls zu ihnen. Sie schienen noch immer sehr verschlafen, aber durch die Hoffnung auf eine spannende Geschichte waren sie putzmunter. Mileena begann zu erzählen. Und während sie von fernen und vor allem schrecklichen Zeiten berichtete bekamen ihre Augen einen wohlig warmen Glanz. „Damals, als ich geboren wurde, war die Übermacht des „Auges“ besonders groß. Nur wenige waren im Stande sich gegen die bösen Zauberer zu wehren. Meine Mutter starb bei dem Kampf mit einer Hexe die sie auf die andere Seite hinüber zwingen wollte. Ich erfuhr dies erst viel später. Die Hexe hatte Mitleid mit mir und nahm mich mit zu sich. Kaum war ich ausgewachsen setzte sie mich aber wieder vor die Tür. Damals konnte ich schon ein bisschen zaubern, und meine weitere Chance zum Überleben bestand leider darin dass ich mich dem „Auge“ anschließen musste. Da dieser Geheimbund aber nur ältere Hexen aufnahm, aus Angst vor Spionen wahrscheinlich, musste ich mich zuerst älter machen. Es gelang mir nur mit Hilfe von anderen Hexen, für die ich zum Ausgleich dann hart arbeitete. Das ich in den Geheimbund aufgenommen wurde ist wohl logisch. Das alles ist jetzt fünf Jahre her. Damals war ich acht Jahre alt. Mit Acht wurde ich zu einer Hexe des „Finsteren Bundes“. Ich wurde immer besser und besser. Außerdem wuchs mein Interesse an dem Großen Kampf. Ich forschte Tag und Nacht, bis ich das Geheimnis der Auferstehung kannte. Ich erschuf mir einen kleinen Helfer der, zusammen mit mir, den Plan durchführen sollte.“ Dabei wies sie mit dem Kopf auf den Mann in der Ecke. „Fast wäre mein Plan gescheitert. Als ich nämlich das erste Mal hier hinunter kam, um alles vorzubereiten, ward ihr da. Ich musste an diesem Tag noch die Vorkehrungen treffen. Ich glaube Kay hat meine Anwesenheit gespürt. Bald darauf kam ein Mann und wir mussten verschwinden. Aber als ihr bald darauf gegangen seid hatte ich doch noch eine Chance. Danach lief alles glatt. Ihr wisst wahrscheinlich mehr über das Vorgehen als jeder anderer, also brauche ich dies nicht zu ausführlich berichten. Ich holte das Dreieck aus dem Kloster. So schnell es ging wollte ich das Richtige besitzen. Also fuhr ich zu Frau Neumann, sprach das Losungswort und erhielt das Original. Ich vollbrachte mein Schauspiel, das gleichzeitig als Ritual diente und musste feststellen, dass ich dich gar nicht gebraucht habe! Nun, da der Zauberer aber auferstanden war, erkannte ich was ich angerichtet hatte. Fast wärst du gestorben, und das wegen meiner Dummheit. Aber zum Glück konnte ich das gerade noch, mit Dees Hilfe, verhindern. Dazu aber musste ich alle Kräfte aufgeben die mir das „Auge“ verliehen hatte. Somit bin ich wie du, Kay, eine unwissende Anfängerin. Wenn du mir vergeben kannst könnten wir gemeinsam den Weg unserer Ausbildung zu einer weißen Hexe beschreiten.“ Sie endete. Kay sah sie eine Weile zaghaft an. Klar, sie sah anders aus, aber das alles konnte auch nur ein Trick sein. Wieso hatte sie dann Gyndalos getötet? Sie blickte auf den Leichnam. Er bewegte sich nicht, das musste heißen er ist gestorben. >Vertraue ihr! Du hast dir doch schon immer eine Schwester gewünscht, nun hast du sie. Sie kann bestimmt bei euch wohnen. < „Wieso sollte ich denn dir vertrauen?“ Doch trotzdem nickte sie. „Gut, dann lass’ uns gemeinsam lernen. Bestimmt kannst du bei mir und meiner Oma wohnen. Du musst bloß mit ihr klarkommen.“ Mileena schien erleichtert: „Danke, dich schickt der Himmel. Ich hab’ mir schon immer eine Zwillingsschwester gewünscht. Eine mit der ich alles besprechen kann, eine richtige Freundin.“ „Jetzt übertreib’ mal nicht, okay?!“ Kay sah beschämt zu Boden. „Dann lasst uns gehen.“ Dee drängte zum Aufbruch. Auch Gini fühlte sich, so nahe an einem Killer, nicht richtig wohl. „Ja, ich muss unbedingt meinen Eltern sagen dass es mir gut geht. Sie machen sich bestimmt schon schreckliche Sorgen.“ „Gute Idee, ich muss auch unbedingt mit meiner Oma reden.“ Sie erhoben sich und verließen so schnell wie möglich die Grabkammer. Kay packte im Vorbeigehen Mikaasch, der anscheinst immer noch mit dem Hervorwürgen der Seile beschäftigt war. Als Kay ihn mit einem Ruck auf den Arm hob kam ein Schwall Fasern hervor. „Danke“, würgte Mikaasch, „die haben mich gereizt.“ Kay zog angewidert eine Schnute. Den steilen Gang nach oben ließ sie Mikaasch selber laufen. Das war für sie nicht so anstrengend und der Kater war so schneller. Die sechs Helden verließen den schuppen und so schnell es ging den Hotelplatz. „Wir bringen alle nach Hause“, beschloss Mileena, „das ist sicherer.“ Zuerst ging der kleine Trupp in die Königsstraße um die Geschwister abzuliefern. „Sollen wir klingeln?“, fragte Gini. Tim widersprach ihr: „Nein, vielleicht sind sie so sauer dass sie uns die Türe gleich vor der Nase zuhauen und wir draußen pennen müssen. Lass uns den Schlüssel holen! Wartet hier auf uns“ Fügte er, zu den anderen gewandt, hinzu. Die Übrigen blieben bibbernd in der Kälte stehen. Oktober, bzw. November, ist eben nicht gerade der wärmste Monat. Mileena rieb sich die Arme. So wie sie dastanden sahen sie wie ganz normale Teenager aus, doch das waren sie nicht. Erst Recht nicht seitdem sie die Tugenden in sich trugen. Man hätte ihnen nie angesehen, dass sie soeben einen mächtigen Zauberer getötet hatten und damit die ganze Welt gerettet hatten. „Hilfe, helft mir doch, oh, hiiilfeee!“ „Oh mein Gott! Das ist doch Gini!“ Sie rannten los. Sollte ihnen doch noch etwas Schreckliches zustoßen? Dee blieb stehen. „Noch mal bringe ich mich sicher nicht freiwillig in Lebensgefahr.“ Die Mädchen sahen ihn an. Ihr Blick war bezwingend, Dee konnte nicht anders. Doch es waren nicht nur die Mädchen die ihn dazu bewegten. Irgendwas in ihm sagte ihm er solle seine Freunde retten, und nicht immer an sich denken. Er spürte ein, ihm vorher unbekanntes, Gefühl, das ihn zum ersten Mal seinen Egoismus vergessen ließ. Er wollte etwas fragen, doch die Mädchen schienen zu spüren was in ihm vorging. „Uns geht es genauso, glaub uns. Wir werden dir später erklären was es damit auf sich hat.“ Kay nickte ihm aufmunternd zu. Sie gingen weiter in die Richtung aus der die Hilferufe gekommen waren. Als sie um die Hausecke bogen, bekamen sie einen großen Schreck. Es war niemand da. Die Geschwister waren wie vom Erdboden verschwunden. Als sie sich fragend nach den Freunden umblickten sprang plötzlich jemand hinter einem Busch hervor. „Hab’ ich euch! Ihr könnt mir nicht entkommen!“ Die drei schrien wie am Spieß. „Kay, also bitte. Das sind doch Tim und Gini.“ Kay verstummte. Genau wie den anderen war ihr die Situation peinlich. Mikaasch war der Einzige der die falschen Geister erkannt hatte. Die Geschwister kugelten sich auf dem Boden vor Lachen und als die Erschreckten ihre erste Scham verloren hatte lachten sie ebenfalls. Mileena jappte nach Luft. „Ihr seid doch nicht mehr ganz gescheit uns so einen Schrecken einzujagen. Habt ihr wenigstens den Schlüssel?“ Die zwei nickten. Sie gingen zurück. Gini lachte und gähnte gleichzeitig und verabschiedete sich dann. „Warte noch, Gini. Wir müssen euch noch etwas sagen, besser ausgedrückt ich muss euch noch etwas sagen.“ Ihre Freunde blickten sie gespannt an. Mileena senkte den Kopf. Sie wusste genau was es war, aber irgendwie konnte sie sich nicht mehr an ihre Ausbildung erinnern. „Ich weiß es nämlich nicht mehr. Es scheint so, das alles was ich während meiner Ausbildung zu einer Schwarzen Hexe gelernt habe, wieder aus meinem Gehirn gelöscht worden ist. Aber Kay weiß nun vieles, nicht alles und sie kann trotzdem noch nicht zaubern, aber ihr werdet erfahren warum.“ Kay stimmte ihr zu. Dann begann sie die anderen einzuweihen: „Als die fünf Dreiecke auf uns übergegangen sind, haben wir alle je eine Tugend oder eine besondere Eigenschaft bekommen. Zusätzlich können wir unsere Gedanken nachvollziehen, wenn nicht sogar miteinander über das Gehirn allein reden. Das kommt daher, dass wir alle vom Dreieck eingenommen wurden. So sind wir zu einer Gemeinschaft geworden. Was ihr für Geschenke bekommen habt müsst ihr selbst herausfinden, aber es wurden diese Dinge vergeben: Weißheit, das habe ich erhalten, Ehrlichkeit, Edelmut, Mut, Geschicklichkeit. Bestimmt könnt ihr jetzt schon nachvollziehen was euch geschenkt wurde.“ Mileena behauptete sie habe Ehrlichkeit bekommen, sonst hätte sie nie verraten das sie nichts mehr wüsste und hätte ihnen auch nicht ihren Lebensweg so einfach und untoll erzählt. Dee nickte: „Auch ich habe bemerkt wie eine Veränderung in mir vorging, ich war nicht mehr ganz so egoistisch. Daher glaube ich, ich habe die Gabe Edelmut bekommen.“ Tim und Gini schauten sich nur ratlos an. Es sah witzig aus wie sie sich in der gleichen dummen Grimasse anglotzten, offensichtlich verstanden sie nur Bahnhof. „Wir haben noch gar nichts gemerkt, aber vielleicht wollt ihr uns auch nur verarschen. Vielleicht ist das alles ein gemeiner Racheplan um uns aufs Glatteis zu führen“ Man sah Tim an das er sich das nicht mal selbst abnahm. Die beiden wollten nicht anfangen zu streiten. Sie verabschiedeten sich und sagten, dass sie niemandem davon verraten würden, sie mussten es sogar schwören. „Nach dem geheimen Schwur von uns, okay?“ Sie nickten und sagten im Chor: „Bei Peperoni und Gehirnsülze schwöre ich das ich keinem von der Zaubersache verraten werde, das bezeuge der dumme Firlefanz!“ Dee lachte sich auch noch, nachdem die Tür längst geschlossen war und sie schon langet die Königstraße verlassen hatten, scheckig über den „Unsinn“. „Was soll das denn für ein schwur sein? Seid ihr nun völlig übergeschnappt.“ Mileena hielt sich ebenfalls den Bauch: „Es ist lange her das ich so gelacht habe und nun tue ich es gleich zweimal am Abend.“ „Das ist nicht witzig! Der Spruch wirkt und du brauchst nichts zu sagen: Eure Bandensprüche sind auch nicht besser!“ Kay versuchte schwer beleidigt zu klingen, aber mit ihrem unterdrückten Gegrinse würde ihr das eh niemand abkaufen, deshalb gab sie es lieber gleich auf. „Was war das für ein Geräusch?“ „Klang wie ein verstopfter Abfluss!“ Alle wirkten angespannt. Sie blickten verwirrt um sich. Erst Mikaaschs Stimme brach die nervöse Stille: „Habt wohl noch nie ne Katze lachen gehört, oder?“ „Ach, das warst du?!“ Kay versuchte sich aus Höflichkeit das Lachen zu verkneifen, aber die anderen beiden prusteten los. „Es wird Zeit das ich nach Hause komme. Sonst bekomme ich noch einen Lachkrampf.“ Kay nickte die Augen verdrehend. Bald darauf waren sie da. Kay staunte wieder einmal über die teuren Häuser und hätte Dee fast beneidet. Aber sie hielt sich zurück, denn Reichtum war nun wirklich nicht alles. Die Mädchen verabschiedeten sich. Glücklich, alles bestanden zu haben, wies Kay Mileena den Weg zu ihrem neuen zu Hause. Kurz bevor sie in die Hauptstraße verlassen wollten fiel ihnen ein, das noch etliche halb tote Schüler auf dem Schulhof lagen, was nicht ganz so gut aussehen würde. Also machten sie sich auf zur Schule. Mileena schüttelte geistesabwesend den Kopf. „Nichts, nichts!“ Kay wusste was sie meinte. „Du kannst dich an wirklich gar nichts mehr erinnern?“ „Nein, selbst den weg zur schule weiß ich nicht mehr genau. Aber jetzt geht’s da lang, oder?!“ Kay nickte. Sie dachte darüber nach, ob die Stimme ihr wieder helfen würde, denn die Mädchen konnten ja nicht zaubern. Sie sprinteten auf den Hof. Kay hob wie traumatisiert die Arme und murmelte Worte. „Danke!“ Kay lächelte zufrieden in sich hinein. Weiße Nebelfetzen umhüllten die Schüler und als sich der Schleier langsam verzog, waren alle wieder lebendig. Dank Kay vergaßen sie dann auch was diesen Abend geschehen war, und würden alle zu Hause erzählen, es hätte länger gedauert als erwartet. >Kay, es war das letzte Mal das ich dir so helfen darf, nun bist du auf dich allein gestellt, ich gebe dir nur noch Tipps. Keine Zaubereien mehr, verstanden?!< Kay nickte innerlich und meinte fröhlich zu Mileena als sie mit den anderen Kindern die Schule verließen: „Irgendwie hat es trotz allem Spaß gemacht.“ Auf dem Rückweg hatten sie sich viel zu erzählen und sie kamen aus dem Kichern gar nicht mehr raus. Als die beiden Girls aufhörten zu quasseln meldete sich die Stimme in Kays Kopf wieder. >Sehr spannend euch so zu zuhören. Es war doch eine gute Idee sie aufzunehmen, oder< „Ja, ich muss dir Recht geben, was ich nicht gerne tue. Sie ist jetzt schon meine beste Freundin.“ >Na also, aber bevor ich dich weiter belästige möchte ich dir wenigstens sagen wer ich bin: Ich bin Tea, deine Mutter. < „Wie meinst du das meine Mutter? Ich dachte die wäre tot!“ >Das bin ich auch, aber meine Aufgabe hier ist noch nicht erledigt, und bei uns Hexen ist es dann möglich seinen Geist vor dem grausamen Tod aufzugeben. So ruht der Körper auf einer „Zwischenstation“ und der Geist kann seine Aufgabe vollenden. Aber um dies durchzuführen braucht man viel Übung, und lebendig wird man dadurch auch nicht. < „Dann habe ich ja gleich zwei Leute gefunden die mir helfen, das finde ich mal cool!“ Sie erreichten das Haus. Die Haustür stand offen. Mileena lächelte: „Ihr seid wohl sehr misstrauisch!“ Kay merkte nicht, dass sie dies ironisch meinte. Sie war viel zu geschockt, ein mulmiges Gefühl in der Magengegend sagte ihr das hier etwas nicht stimmte. Mileena merkte es ebenfalls, vielleicht durch die Gedankenübertragung des Dreiecks, vielleicht an Mikaasch der maunzend durch die offene Tür sprang und dabei besorgte Laute von sich gab. Kay rannte ihm hinter her. Durch den Flur in die Küche, dort wo ihre Großmutter zusammen mit Frau Neumann gesessen hatte. Doch um den runden Küchentisch saß nur noch die alte Nachbarsfrau. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt. Kay hörte ein leises Schluchzen. Großmutters Begleiter Avax saß auf dem Küchenboden. Seine weißen Federn hingen schlaff herunter und als Kay sich zu ihm setzte sah sie, dass er weinte. Kay würde gerne weinen, ihrer Trauer Ausdruck geben, die sie soeben überflutet hatte. Doch sie konnte nicht. Ihr stand stilles Entsetzten ins Gesicht geschrieben. Ihre Oma lag auf den kalten Fliesen. Ebenfalls kalt, leblos, ohne den warmen Glanz in ihren Augen. Diese starrten reglos zur Decke. Ihre Großmutter war tot, tot ohne ein Abschiedswort. >Das Opfer, ich habe nicht gewusst dass...< Selbst Tea versagte die Stimme. Mileena kam zaghaft in die Küche. Sie erfasste die vor ihr liegende Szene sofort. Es war wie in einem schlechten Traum nur... realer. Sie hatte Kays Oma nicht gekannt, trotzdem fühlte sie sich schwer betroffen als sie ihren Körper liegen sah. Sie wusste, dass sie mit an ihrem Tod schuld war. Sie bildete sich sogar ein als einzige Schuld zu haben. „Es tut mir so leid“, stammelte sie. Niemand achtete auf ihr Worte. Kay drehte sich um: „Wie... ich meine wann... warum?“ Ihre Augen waren weit geöffnet, sie sah genauso leichenblass aus wie die Frau zu ihren Füßen. „Wir saßen hier, schauten mit ihrer Kristallkugel bei dem Kampf zu. Wir konnten eure Worte nicht hören, doch auf einmal sagte sie: „Ich werde nun gehen, meine Zeit ist um, richte dies bitte meiner Enkelin aus.“ Dann wollte sie mir etwas sagen, doch es war zu spät, keuchend fiel sie vom Stuhl. Sie musste noch etwas gesagt haben, vieles was ich nicht verstanden habe. Doch ein Wort hörte ich aus dem Gestöhne heraus: Kunst. Dieses Wort wiederholte sie oft. Dann sah sie mich traurig an. Ihr Blick sagte mir, ich solle dir ausrichten, dass sie dich lieb hatte, doch dann ging sie von uns. Sie hat uns einfach so verlassen. Es muss etwas mit eurem Kampf zu tun haben. Aber ich möchte nicht wissen was. Es ist geschehen, vielleicht habe ich Schuld, vielleicht hat niemand Schuld. Gedanken, unsinnige Gedanken machen sie nun auch nicht mehr lebendig. Merk dir das Kay. Sie wird immer bei uns sein.“ Frau Neumann ergriff Kays Hand: „In unseren Herzen wird sie weiter leben, für immer.“ „Danke, ich werde sie in ihr Bett legen. Ich glaube man hat mir einmal gesagt, dass der Körper einer Hexe von allein zu seinem Ruheort getragen wird. Vielleicht werde ich recht behalten.“ Frau Neumann kniete zu ihrer besten Freundin nieder, gab ihr einen Kuss und streichelte zum letzten Mal ihre Hand. „Vergib mir, ich konnte dir nicht helfen.“ Dann ging sie schweigend nach Hause. Morle trottete leise hinter ihr her. Mileena ging zu Kay und brachte ihr einen Stuhl auf den sie ihre neue Freundin mit sachter Gewalt bugsierte. „Ist es meine Schuld? Hätte ich dies hier verhindern oder vermeiden können?“ Kay sagte dies ohne eine Miene zu verziehen. Sie erhielt zwei „Nein“. Kay wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Gut, aber ein bisschen ist es auch mein Fehler.“ „Den größten Fehler habe ich gemacht. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre euch dieser ganze Abend erspart geblieben.“ Mileena wirkte erschüttert und verstört. „Nein, das warst nicht du. Niemand hat etwas daran ändern können. Frau Neumann hat Recht, es ist nichts mehr zu tun. Wir haben unser Bestes gegeben. Nun sind andere dran. Möge meine Oma bei ihnen in Frieden ruhen.“ Eine Weile blieben sie noch in der Küche sitzen um alles noch einmal zu überdenken. Kay fühlte nicht so, wie sie vorhin gesagt hatte. Sie spürte zu tiefe Trauer und Schuld, auch war sie Mileena ein bisschen böse. Aber sie wollte ihren bösen Gedanken nicht freien Lauf geben. Dinge geschehen, alles was passiert ist irgendwie wichtig. Wenn es einem selbst auch manchmal unsinnig vorkommen mag. Kay bedeutete Mileena ihr zu helfen die Leiche nach oben zu bringen. „Machen wir ihr ein schönes Ruhebett, das hat sie verdient.“ Kay blickte auf die Begleiter, Mikaasch war gerade dabei Avax ein bisschen aufzupäppeln. Kay und Mileena hatten der Großmutter neue Betttücher gebracht. Sie hatten alle Blumen des Hauses zusammengekratzt und die Verstorbene in ein Meer aus Blüten gelegt. Mileena sprach ein kurzes Segensgebet, obwohl sie noch nie in der Kirche war. Dann überließ sie Kay sich selbst. Diese weinte noch viele Tränen. Sie ging oft in die Kirche, denn ihre Oma wie sie selbst glaubte an Gott, trotz Hexerei. In der Neuzeit gab es nur wenige Hexen die den Teufel anbeteten, aber immer noch viele die heidnische Bräuche ausführten. Auch ihre Oma hatte öfters zu Naturgeistern gebetet, obwohl sie der katholischen Kirche angehörte. Gott hatte ihr das sicher verzeiht, auch wenn sie nicht ganz so oft im Gottesdienst war wie Kay. Kay betete nun alle Gebete und Psalmen die ihr einfielen und bat tausend Heilige darum ihrer Oma einen guten Platz im Himmel zu schenken. Das Hexen im „Tal der Wiederkehr“ verweilen, wusste Kay nicht. Nach einer guten Stunde verließ sie das Zimmer. Kay hatte in paar Kerzen angezündet die, die Haut der Oma manchmal im flackernden Schein zum leben erweckten. „Kunst“, überlegte Kay, „Kunst!“ Sie blinzelte und eine letzte Träne fiel hinunter. Sie zerschellte unten auf der Türschwelle und als Kay die Tür geschlossen hatte, verdampfte sie zu dünnem Nebel der immer mehr und dichter wurde. Bis er das ganze Zimmer ausfüllte. Wenn jemand am nächsten Morgen die Tür öffnen würde, würde er verschwunden sein und mit ihm der Leichnam. weiter zurück zur Übersicht zurück in die Bibliothek