Der Fall "Heulende Hütte" / Gerichtsreport Teil 4

Frau Salesch betrachtete Severus Snape eine Weile still, bevor sie sich räusperte und das Blatt Papier vor sich glatt strich.
„Ich möchte sie zunächst belehren, dass sie als Zeuge immer die Wahrheit sagen müssen. Fragen, die sie selbst belasten würden, brauchen sie nicht zu beantworten. Sie dürfen aber nicht lügen. Wenn sie nichts dazu sagen wollen, müssen sie das auch so sagen. Ich möchte sie auch darüber belehren, dass auch sie die Fragen zu ihren Personalien richtig und vollständig zu beantworten haben.“ Sie machte eine Pause. „Haben sie das verstanden?“
„Ja, Frau Vorsitzende. Ich bin nicht taub.“ antwortete er kühl.
„Reiß dich zusammen, Severus!“ zischte Snape Senior finster.
Snape Junior zuckte zusammen und zog seinen Kopf ein. Eine Geste, die die drei Angeklagten offenbar überraschte. Jeden auf seine Weise.
Black grinste spöttisch. Lupin schüttelte angewidert seinen Kopf und Potter stieß ein leises Lachen aus. Das allerdings brachte ihm ein ärgerliches Knuffen seines Anwalts ein. Was Potter wohl beschämte.
„Herr Staatsanwalt, würden sie dem Nebenkläger bitte nochmals erklären, dass er während meiner Befragung still ist.“ knurrte die Richterin.
Herr Kirkidaze nickte und mahnte Snape Senior mit nur einem Blick.
„Schön. Herr Snape. Ihr voller Name ist Severus Tobias Snape. Sie sind 18 Jahre alt und leben derzeit in London. Ist das richtig?“
„Ja. Ich habe meine Ausbildung im Hospital für …nun, ich habe dort meine Ausbildung zum Apotheker begonnen.“ fügte er leise hinzu und seine Lippen gräuselten sich vergnügt.
„Apotheker.“ James Potter lachte finster. „So nennst du das also jetzt?“
„Schweig, Potter! Zu dir komme ich später.“ zischte Severus Snape finster und wischte damit sämtlichen Mitleidsbonus aus dem Raum. Es gab gar keinen Zweifel mehr für die Anwesenden, dass Severus Snape durchaus in der Lage war sich sehr gut selbst zur Wehr zu setzen.
Umso interessanter wurde der Fall.
Abgesehen von dem Hass, der aus Snapes und Potters Stimmen herauszuhören gewesen war, der den Sachverhalt in ein vollkommen anderes Licht rückte.
Schon allein deshalb, da James Potter sich geweigert hatte eine Aussage zum fraglichen Abend zu treffen.
Nun war aber Severus Snape an der Reihe Licht ins Dunkel zu bringen.
„Würden sie bitte schildern, was sich an dem 20. März letzten Jahres zugetragen hat?!“ forderte Herr Kirkidaze den Zeugen auf.
„Das war alles halb so wild.“ schnarrte Snape lächelnd. „Mein werter Herr Vater hat nur daraus solch ein Schauspiel gemacht, weil er meint dadurch einen Teil meines Lebens verstehen zu können. Doch auf diese Weise macht er sich nur umso lächerlicher.“
Snape Senior hielt die Luft an und erhob sich ganz langsam von seinem Platz. Er war größer als sein Sohn und kräftiger gebaut. Sein Anblick war durchaus furchteinflößend. Doch Severus Snape beeindruckte das nicht im Geringsten.
„Setz dich! Ich bin schon längst aus dem Alter raus, wo du mich damit beeinflussen konntest!“ bellte Snapes Stimme durch den Gerichtssaal.
Es war ein Befehl und den traf seinen Vater wie eine Faust. Sofort fiel dieser auf seinen Platz zurück.
Erst nach ein paar Minuten schien die Eiseskälte aus dem Raum verschwunden zu sein. Anwälte, Angeklagte, Publikum, Richterin und Staatsanwalt erwachten wie aus einer Trance. Die Angeklagten hatte ihre Münder aufgerissen und blankes Entsetzen stand in ihren Gesichtern.
Das war unheimlich.

Anmerkung von Giselda Monroe: Ich habe einen dunklen Hauch von diesem Jungen ausgehen gespürt. Oh je! Was ging da bloß vor sich. Es war fast so, als sei plötzlich der, Sie-wissen-schon-wer, im Raum erschienen. Ich denke das sollte näher untersucht werden. Ich berichte später, was das Ministerium dazu sagte.

„Sie wollen also sagen, dass es sich nicht so zugetragen hat, wie es durch ihren Vater und sie selbst zur Anzeige gebracht wurde?“ fragte Herr Kirkidaze verwirrt.
„Oh doch! Es hat sich sehr wohl so zugetragen. Allerdings sehe ich die Dinge jetzt ein wenig klarer und es erscheint mir nicht mehr so wichtig wegen solcherlei Kleinigkeiten meine Contenance zu verlieren.“
„Nichtsdestotrotz, Herr Snape, schildern sie dennoch wie es sich zugetragen hat!“ forderte die Richterin, deren Geduldsfaden allmählich zu reißen begann. Schließlich gab es heute noch andere Fälle, die sie verhandeln musste.
„Wie ich bereits bei der Muggelpolizei aussagte, hat mich Sirius Black dazu gebracht an dem fraglichen Abend zu einem obskuren Ort namens „Heulende Hütte“ zu gehen. Wohl in der Annahme, dass mich schon der Name in Angst und Schrecken versetzen würde. Als sei ich einer seiner minderbemittelten Freunde aus Gryffindor. Schlamm- und Halbblüter! Ich bitte sie!“
„Vorsicht Snape!“ brüllte Black aufgebracht und sprang auf. Er war nicht allein. James Potter war mit hochrotem Kopf von seinem Stuhl gesprungen und wühlte in seinen Sachen, als suche er nach einer Waffe. Doch Arthur Weasley hielt mit gestrengem Blick seine Hand fest, sodass er nichts zu Tage brachte.
Severus Snape lachte leise. „Wollen wir endlich unser wahres Gesicht zeigen, ja?“ reizte er die Beiden. „Dabei ist das wahre Monster noch nicht einmal zum Zuge gekommen. Bedauerlich, nicht wahr?“
„Oh ja!“ fauchte Black. „Ich wünschte James hätte dich nicht vor ihm gerettet, dann wäre uns allen eine Menge erspart geblieben!“
Snape lachte nun noch lauter.
Selbst sein Vater, wohl aus seiner verblüfften Erstarrung wieder erwacht, stimmte mit ein.
„Da sehen sie es, Frau Vorsitzende, diese Herren entbehren wahrlich jeder guten Kinderstube. So sind und waren sie schon immer. Mit solchen Leuten habe ich versucht, meine Mutter möge mir verzeihen, mich anzufreunden. Jedenfalls ein wenig. Wissen sie, ein guter Freund von mir pflegt zu sagen, dass man alle so behandeln sollte, wie man selbst behandelt werden möchte. Ich hätte diesbezüglich nicht auf ihn hören sollen. Völliger Schwachsinn, wenn sie mich fragen!“ Snape lächelte milde. „Aber was soll man machen, wenn man in solchen Kreisen aufgewachsen ist und es nicht anders weiß, als mit Gewalt seine Probleme in den Griff zu bekommen.“
Er sah entschuldigend von Black, Potter und Lupin zu Richterin Salesch. „Wenn sie wissen, was ich damit sagen will.“
„Das sagt der Richtige.“ meinte Potter finster. Doch Snape ignorierte ihn.
„Fahren sie bitte mit ihrer Aussage fort und unterlassen sie dabei solche Ausdrücke. Was immer sie bedeuten mögen.“
„Selbstverständlich, Frau Salesch. Ich entschuldige mich in aller Form für mein ungebührliches Verhalten. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Der junge Mann nickte. „Ja, wo war ich stehen geblieben. Ach ja, die „Heulende Hütte“. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich auf das Gerede Blacks hereingefallen bin. Ich dachte womöglich, dass wir doch noch unser Kriegsbeil begraben und wenigsten für das letzte Jahr friedlich miteinander auskommen könnten. Also bin ich in dieser Nacht aus dem Haus, obwohl es für Schüler nach zehn Uhr verboten ist auf dem Schulgelände herumzuspazieren. Nicht auszudenken, was Professor Slughorn, das war mein Hauslehrer, getan hätte, wenn er mich dort erwischt hätte!“
„Das hat er aber nicht, Herr Snape.“ warf plötzlich Herr Lenßen ein. „Ist es nicht vielmehr so, dass sie Herrn Black erpresst haben seinen Freund, meinen Mandanten, Herrn Lupin, zu verraten, dass er nachts außerhalb des Schulgeländes von ihnen gesehen wurde? Mir wurde erklärt, dass solch ein Spaziergang nicht nur Folgen für den Schüler, sondern auch für das Haus des Schüler hätte. Ist es nicht so?!“
Snape sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, als überlege er angestrengt, was er darauf erwidern sollte. „Das ist eine Lüge.“ sagte Snape Junior schließlich und schüttelte amüsiert seinen Kopf. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals jemanden erpresst. Das sind Methoden von unterbelichteten Personen, die sich auf keine andere Weise gehör verschaffen können. Oder vielleicht sogar Eindruck zu schinden, wie es die Verhaltensweise der Angeklagten ist. Obwohl ich der Meinung bin, dass ihr Mandant selbst auch nicht zu so etwas in der Lage ist. Dazu hängt er zu sehr an den Rockzipfeln seiner ach so ehrenwerten Freunde Potter und Black!“ Snape entblößte seine Zähne beim darauf folgenden Lachen.
Black ballte seine Hände zu Fäusten und war drauf und dran von seinem Stuhl auf zu springen, um sich auf Snape zu stürzen. Potter ging es ähnlich, doch hatte er sich weit besser im Griff als Sirius Black.
„Was ist eine Lüge, Herr Snape? Dass es Folgen hätte draußen herumzuspazieren oder das sie meinen Mandanten erpressten?“ hakte jetzt Blacks Anwältin nach.
Potters Anwalt nickte nur, sah aber nicht auf. Irgendwie schien er in den Gebrauch seines Kugelschreibers vertieft. Immer wieder murmelte er „faszinierend“ und beachtete nicht die betrübte Miene von Potter.
Snapes Blick war kalt und herablassend, als er sie betrachtete. „Ich habe Black nicht erpresst. Black wollte mich töten. Das ist der einzige Fakt, den es hier zu erörtern gibt.“
Snape Senior lachte schallend. „Wieso bist du nie so zu Hause? Deine Mutter wäre stolz auf dich gewesen.“ meinte er.
Das kam für seinen Sohn einer Ohrfeige gleich. Er wirbelte herum und blickte seinen Vater fassungslos an. Er wurde dabei so weiß im Gesicht, dass sogar seine Lippen verschwanden und das dunkle Haar ihn zu verschlingen schien. Sagte aber nicht einen Ton.
In Snape Seniors Augen funkelte Triumph.
Wieder bellte Blacks Lachen durch den Raum.
„Mein Mandant hatte nicht vor sie zu töten. Er wollte sie lediglich erschrecken. Das hat er leider bereits eingeräumt.“ sagte die Anwältin, um Snape wieder auf sich aufmerksam zu machen.
Es gelang ihr sofort.
Jetzt ballten sich auch Snapes Hände zu Fäusten. So fest, dass sich seine Nägel ins Fleisch bohrten. „Erschrecken.“ keuchte er und seine Augen hefteten sich auf Black. „Das ist dir tatsächlich gelungen, Black. Denn nicht einmal ich hätte geglaubt, dass du in der Lage wärst jemanden zu ermorden, nein besser noch, ermorden zu lassen, dessen….“ Der Junge machte eine Pause. „…Nase dir nicht gefällt!“
Black wollte lachen, doch dann wich ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht und er sah zu Lupin, der nun noch kränker als zuvor aussah.
„Du wagst es!“ brüllte Potter und sprang auf.
„Gerichtsdiener!“ rief die Salesch und gleich zwei uniformierte Männer stürmten auf Potter zu. Nur mit Mühe konnten sie ihn dazu bringen sich wieder zu setzen. Handschellen klimperten und er wurde an den Armlehnen fixiert.
„Ich warne sie Herr Potter. Noch so ein Ausbruch und ich werde sie wegen Missachtung des Gerichts einsperren lassen.“ warnte die Richterin.
James Potter sagte nichts. Sein Blick war nur finster auf Snape gerichtet, der diesen Blick erwiderte.
„Kommen sie zum Ende Herr Snape. Sie sind also zur Hütte gelaufen. Wie spät war es da?“ wollte Herr Kirkidaze wissen.
„Es war Mitternacht. Vollmondnacht.“ Snape lächelte. „Ich habe also den Weg deutlich sehen können. Bin durch einen Tunnel gelaufen, der direkt zu dieser Hütte führt. Black hatte mir den Weg genau beschrieben. Als ich schließlich in der Hütte ankam, hörte ich ein furchtbares Stöhnen und Heulen, als hätte jemand Schmerzen.“
Ein lautes Poltern unterbrach Snape. Ein paar Leute schrieen entsetzt auf. Herr Lenßen war auf die Knie gesunken und fühlte den Puls seines Mandanten, der vom Stuhl gerutscht war.
„Was für eine Show.“ lachte Tobias Snape. Aber sein Sohn schien ernsthaft schockiert zu sein.
„Holen sie einen Arzt.“ sagte Lenßen.
Die Richterin hatte das aber schon längst erledigt.
„Entschuldigen sie, Frau Vorsitzende, mein Mandant war heute Nacht wieder unterwegs.“
„Ja, ja, das konnte man deutlich sehen.“ Barbara Salesch spielte auf sein kränkliches Aussehen an.

Zwischenbericht der Reporterin:
Der junge Remus Lupin wurde leblos aus dem Gerichtssaal getragen. Ich sage ihnen, das war kein wirklicher Spaß.
Meinen Quellen zu folge leidet der junge Lupin an einer schrecklichen Krankheit. Der Junge ist ein Werwolf.
Das erklärt seine Blässe und das beginnende Ergrauen seines Haars. Armer Kerl. Doch ist er auch gefährlich. Nichts auszudenken, was er hier in der Muggelwelt anrichten könnte.
Der Vorfall wurde bereits an das Ministerium gemeldet und der junge Lupin wird sich vor dem Zauberergamot wegen des Angriffs auf Severus Snape erklären müssen. Insbesondere dem derzeitigen Schuldirektor Professor Albus Dumbledore. Hat der hochrangige Zauberer von Lupins Krankheit gewusst?