Auf der Insel Sainte Marie in Madagaskar wurde eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Es war auf einem alten Piratenfriedhof, den der Zauberer Atlas Acheson als Tourist besichtigte. Hinter den verwitterten Grabsteinen erblickte er eine ihm unbekannte Pflanze, die offensichtlich einen ahnungslosen Muggel erdrosselt hatte. Der Tote war vollkommen von der Pflanze umschlungen und hundert handförmige Blätter umklammerten ihn. Nur die Form verriet noch, dass es sich um einen Menschen handelte.
"Ich wandte mich gerade ab, als mich eine dieser grünen Hände blitzschnell am Knöchel packte", berichtet Acheson. "Ich stolperte, rappelte mich aber sofort wieder auf. Im nächsten Moment griff die Pflanze nach meinem Arm. Ein Incendio-Spruch erwies sich als wirkungslos. Die Pflanze stahl mir dabei jedoch meinen Zauberstab. So blieb mir nichts als meine eigene Muskelkraft, um mich zu befreien!"
Sobald dies gelungen war, rannte Acheson davon, so schnell ihn seine Beine trugen. Umgehend kontaktierte er einen Kräuterkundigen. Als dieser am nächsten Tag zum Friedhof kam, hatte die Pflanze den Körper des Muggels jedoch so weit verdaut, dass kaum noch etwas zu erkennen war. Stattdessen wickelte sie sich nun um den Baum der Reisenden hinter ihr. Der Fachmann bestätigte, dass es sich um eine neu entdeckte, wissenschaftlich noch nicht beschriebene Art handelte. Im Gebiet um den Friedhof wurden bei einer systematischen Suche einzelne weitere Exemplare sowie der verlorene Zauberstab gefunden. Ob sich die Pflanze auch in entlegenere Gebiete ausbreiten konnte, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.
Es wird allgemein angenommen, dass die Art vor dreihundert Jahren von einem Piraten erschaffen wurde, der der Magie mächtig war. Damals befand sich auf Sainte Marie das utopische Piratenreich Libertatia. In einer Welt der Kolonialmächte und Sklaven war es ein Paradies der Gleichstellung. Es herrschte direkte Demokratie, man teilte alles, stellte sich aber gegen sämtliche Staaten und Normen. Von vorbeifahrenden Handelsschiffen beschlagnahmte man nicht nur wertvolle arabische und indische Güter, man befreite auch die Sklaven. Viele schlossen sich den Piraten an. Es stand Libertatia gegen den Rest der Welt. Eine wehrhafte Pflanze konnte sehr nützlich sein gegen die Feinde der Liberi. Es sollen übrigens noch immer Nachfahren von Piraten und madagassischen Prinzessinnen in der Gegend leben.
Die neue Pflanzenart wurde zu Ehren des gleichnamigen Piraten Tom-Tew-Liane getauft. Ob sie den Friedhof bewacht oder einen Goldschatz, der dort vergraben liegt, ist noch nicht bekannt. Es ist denkbar, dass sie auch an anderen ehemaligen Piratenstützpunkten zu finden ist wie Port Royal auf Jamaika oder Tortuga in Haiti. Wer entsprechende Beobachtungen macht, möge sie der Redaktion des Klitterers melden.