Dem exzentrischen aber hochintelligenten Mathematiker ist gelungen, was keinem Muggel vor ihm je gelungen ist: Unsere Welt zu entdecken, ohne dabei bemerkt zu werden. Wie ihm das geglückt ist, ist allen ein Rätsel. Deshalb befragte der Tagesprophet Mr. Kupferfeld, der einem Interview sofort zustimmte, persönlich.
Kupferfeld: Streng genommen war es eine ganz einfache Sache. Ich hatte gerade meine thesopathisch-mathogene Äquivalenzformel ausgearbeitet. Bei einer Vorstellung vor Kollegen wurde diese in der Luft zerrissen, weil sie offenbar zu falschen Ergebnissen führte. Ich hatte Jahre harter Arbeit in die Entwicklung der Formel gesteckt. Ich habe jede Variable und Konstante dieser Welt mit eingearbeitet und war auf mein Ergebnis sehr stolz: Ich war der erste Mathematiker der eine Formel vorstellte, mit der man nicht nur das Universum, sondern auch das große Mysterium, ja sogar den Sinn des Lebens selbst haargenau berechnen konnte. Ich war empört, als meine Formel schnöde und unter dem Hinweis zurückgewiesen wurde, ich hätte bei der Entwicklung wohl zu tief in mein Weinglas geschaut. Ich kann Ihnen versichern, mein Rotweinkonsum hatte damit nichts zu tun.
Tagesprophet: Schön und gut, Mr. Kupferfeld, aber unsere Leser interessiert doch vielmehr, wie es ihnen gelang...
Kupferfeld: Ja, dazu komme ich ja jetzt. Ich überprüfte natürlich meine Formel und konnte keinen Fehler darin entdecken. Da kam ich auf die grandiose Idee, dass es nicht die Formel war, die nicht stimmte, sondern die Welt, auf die sie sich bezog. Genau genommen die Ansicht der Welt, die ich bis dahin hatte. Mir wurde klar, dass es noch mehr geben musste, das die Formel in ihrer Genialität bereits erfasst, ohne dass es mir tatsächlich bewusst war. Mit Hilfe der Formel konnte ich einen Ort berechnen, der meiner Ansicht offenbar verborgen war.
Tagesprophet: Und wie genau...
Kupferfeld: Jetzt unterbrechen Sie mich doch nicht dauernd. Ich fuhr also sofort nach London und versuchte, diesen Ort zu finden. Im tropfenden Kessel – den ich nur betrat, weil mich die Formel unabänderlich dorthin wies – fragte ich den Wirt, wie ich weiterkäme, unter der Vorgabe, ich wäre ein Muggelvater, der für seinen Sohn die Schulsachen für Hogwarts einkaufen müsste. Ich hatte vor der Tür das Gespräch einer Zaubererfamilie mitgehört und nutzte diese Informationen. So gelangte ich ohne Probleme in die Winkelgasse.
Bild von: sonnenschein9
Wie wir im weiteren Verlauf des Interviews erfuhren, hatte sich Thomas Kupferfeld schließlich größtenteils aus Neugier dazu entschlossen, einige Zeit in dieser für ihn völlig neuen Welt zu verbringen. Auf Dauer gefiel es ihm sogar so gut, dass er sich mit Roben ausstattete, in eine Zaubererwohngegend zog und sich fortan als vollwertiger Zauberer ausgab.
Seine Nachbarn, allesamt Zauberer, gaben an, nie etwas bemerkt zu haben. „Kupferfeld war ein völlig normaler Nachbar“, so Mr. Kesselbrand, ehemaliger Lehrer in Hogwarts und Nachbar von Kupferfeld. „Er ein Muggel? Das ist ein echter Schock! Ich habe also zehn Jahre lang neben einem Muggel gelebt, ohne es zu merken? Das ist doch verrückt! Ein Skandal!“
Doch das ist noch lange nicht alles. Bis heute nämlich war Thomas Kupferfeld als zweiter Assistent eines Abteilungsleiters im Ministerium für Zauberei angestellt. Offenbar verrichtete er seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit des Ministeriums, denn er wurde in seinen sieben Jahren als Beamter zwei Mal befördert, und sollte demnächst in die Mysterienabteilung wechseln, um dort als erster Assistent den Abteilungsleiter zu unterstützen.
Wie Mr. Kupferfeld es schaffte, die magische Arbeit ohne das kleinste bisschen Magie zu erledigen, ist allen ein Rätsel. „Nun, verzeihen sie den Wortwitz, aber manchen Zauberern erscheinen die Möglichkeiten der Muggel als Zauberei.“ Mehr wollte Thomas Kupferfeld zu diesem Thema nicht sagen.
Noch rätselhafter ist aber, wie seine wahre Identität dem Ministerium so lange entgehen konnte. Man fragt sich, nach welchen Kriterien die dort angestellten Mitarbeiter ausgewählt werden. Das Ministerium wollte sich dazu nicht äußern und nannte auch weder die Abteilung, in der Kupferfeld arbeitete, noch wurde bestätigt, dass es überhaupt einen Mitarbeiter namens Thomas Kupferfeld gegeben habe. Doch es herrscht Krisenstimmung im Ministerium. Außerdem wurde der Leiter des Büros für absurde Patente heute per Eileule aus dem Urlaub zurückbeordert. Dies lässt zumindest vermuten. dass ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis existierte.
Wie allerdings mit Thomas Kupferfeld weiter verfahren werden soll, ist immer noch unklar. Es gibt keinen Präzedenzfall, etwas derartiges ist noch nie geschehen. Normalerweise werden Muggel, die auf irgendeine Weise mit der Zaubererwelt konfrontiert waren, mit einem Gedächtniszauber behandelt. In Kupferfelds Fall allerdings würde das nicht nur bedeuten, ihn zehn Jahren seines Lebens zu berauben, sondern auch tiefe Eingriffe in seine Arbeit und sein Wesen erfordern – schließlich müsste zur Wiederherstellung der allgemeinen Sicherheit auch die Äquivalenzformel verschwinden und mit ihr jede Möglichkeit, diese erneut herzuleiten. Da aber die Muggelwelt Kupferfelds Formel sowieso verwirft und den Mathematiker als verschrobenen Alkoholiker mit Größenwahn ansieht, ist der Schaden vielleicht doch nicht so groß, wie alle befürchten.