Als ich zu den anderen kam, sah ich, dass es vielen nicht besser ging. Kirley hatte Probleme, den Kaffee gerade zu halten, Myron dagegen versuchte erst gar nicht, einen in die Hand zu nehmen. „Was ist denn los?“, fragte ich noch einmal.
„Guten Morgen, Leute“, meinte der Manager Devin Ryan. „Da wir gestern solche Streitigkeiten hatten, werden wir jetzt unseren Soundcheck machen.“ Alle starrten ihn an. „Das ist nicht dein Ernst“, meinte Merton, der plötzlich hellwach war. „Warum nicht? Kennt ihr nicht das Sprichwort: ‚Der frühe Vogel fängt den Wurm.’“, meinte er mit einem Lachen auf den Lippen. „Also los jetzt.“
Ich blickte verschlafen auf meine Uhr. Es war noch nicht einmal 6. Wie kann er uns das antun. Also gingen wir in die Halle. Dort half ich dann wieder beim Bühnenaufbau. Um halb sieben waren wir erst einmal so weit, dass die Band spielen konnte. Doch was ich da hörte, krempelte mir die Fußnägel hoch. So schräg und schief waren sie noch nie. Der Manager stand neben mir und faltete die Jungs gerade zusammen. „Meinen Sie nicht, dass es ein wenig früh ist?“, sagte ich zu ihm. „Wir sind doch erst gegen drei ins Bett gekommen und die meisten hatten noch nicht einmal einen Kaffee.“ Doch wie ich es mir denken konnte, war dem Manager das mal wieder völlig egal. Nach einer halben Stunde hatte er dann mehr oder weniger Erbamen, denn Herman – die Laute – und Orsino – das Schlagzeug – schliefen schon wieder über ihren Instrumenten. Schlurfend gingen wir wieder in den Tourbus und schliefen dort ein, wo wir uns niederließen.
Vom frischen Kaffeeduft dieses Mal sanft geweckt, schlug ich die Augen auf. Mir tat alles weh, denn ich hatte halb sitzend, halb liegend geschlafen. Myron ging es bestimmt noch schlechter, denn er hatte den Kopf nach hinten gebeugt und lag noch über einen Stuhl quer mit einem Bein auf dem Tisch. „Das ist bestimmt nicht angenehm“, sagte ich zu Kirley, der mir eine Tasse voll schwarzem Gold reichte. „Nein“, lachte dieser. „Aber das ist noch eine harmlose Stellung für Myron. Er hat es auch schon mal geschafft, auf dem Tisch liegend mit dem Kopf auf einem Stuhl gelehnt zu schlafen.“ Wir lachten. Ich möchte mir das gar nicht vorstellen, denn mir tut heute schon jeder Knochen weh. Nach einem ausgiebigen Frühstücksbrunch um ein Uhr nachmittags machten wir uns dann noch auf in die Stadt. „Wo sind wir eigentlich?“, wollte Merton wissen und wurde mit „Wakefield“ zufriedengestellt. „Wakefield?“, meinte Herman erstaunt. „Was ist denn in Wakefield?“ Ja, das fragte ich mich auch gerade. Ein Blick in den Informationskasten am Rathaus verriet uns, dass es hier eine St. Mary Chantry Chapel gab, die auf einer im Jahre 1340 erbauten Steinbrücke stand, dann noch die All Saints Kathedrale, mit dem höchsten Kirchturm in Yorkshire (75 Meter), und eine Ruine der Sandel Castle, die als Schauplatz der Schlacht von Wakefield galt. „Hm, nicht sehr berauschend“, meinte Gibeon. Da hatte er recht. Wakefield hatte nicht viel zu bieten. So schlenderten wir nur durch die Straßen, ohne uns groß etwas anzusehen. Um vier Uhr ging die Band dann wieder in die Konzerthalle und machte noch einmal einen ausgiebigen Soundcheck. Der von heute morgen war nur ein Racheakt für die Verspätung in Birmingham gewesen, da waren sich alle einig.
Abends ging es dann wieder in die Vollen. Die Halle war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Schicksalsschwestern ‚hauten in die Tasten’. Die Menge schrie begeistert auf. „Ihr seid der Wahnsinn“, hörte ich von meinem Platz aus. Dann erlaubte ich mir den Spaß und ging während ‚Magic works’ in die Massen. Viele Hexen schrieen die unterschiedlichen Namen. Eigentlich nichts ungewöhnliches, doch dann sah ich etwas, dass ich mit den Schicksalsschwestern nicht in Verbindung gebracht hätte – eine, wie sich hinterher herausstellte, achtzigjährige Frau. „Es ist einfach zu schön, ihre Musik zu hören. So etwas hätte es mal zu meiner Zeit schon geben sollen, dann hätten wir nicht so viele Kinder gehabt.“ Ich lachte und staunte. Daran sieht man mal wieder, dass Musik Generationen verbindet.